BR-KLASSIK

Was hier hartnäckig und beharrlich immer wieder kehrt, ist eine musikalische Idee. Eines der frühesten überlieferten Beispiele für eine ostinate Begleit-Figur ist der altenglische Kanon "Sumer is icumen in" aus dem 13. Jahrhundert. Berühmte Ostinatoformen des Barock sind beispielsweise die Chaconne und die Passacaglia. Hier wird am Anfang eine Bassfigur vorgestellt, die nur wenige, meistens acht Takte lang ist. Dieser sogenannte basso ostinato wird das ganze Stück hindurch unablässig wiederholt. Über diesem Fundament können sich in den Oberstimmen vielfältigste musikalische Ideen entfalten.

Bisweilen ist nicht einmal eine klar definierte Bass-Melodie nötig. Es kann schon eine Harmoniefolge in Verbindung mit einem charakteristischen Rhythmus ausreichen, ein sogenanntes "harmonisches Ostinato" zu bilden. Über die Wirkung von Wiederholungen schreibt der Maler Wassily Kandinsky:

Das Wiederholen derselben Klänge, die Anhäufung derselben, verdichtet die geistige Atmosphäre, die notwendig ist zum Reifen der Gefühle (…), so, wie zum Reifen verschiedener Früchte die verdichtete Atmosphäre eines Treibhauses notwendig, eine absolute Bedingung zum Reifen ist. Ein leises Beispiel davon ist der Mensch, auf welchen die Wiederholung von Handlungen, Gedanken, Gefühlen einen schließlich gewaltigen Eindruck macht. (Quelle: Über das Geistige in der Kunst)

Ostinatos sind in der Musik auch deswegen beliebt, weil die konstante Wiederkehr eines gleichbleibenden Musters große Spielräume für die musikalische Gestaltung und Improvisationen bietet. Auch in der Rock- und Popmusik spielt das Ostinato eine große Rolle. Der sich ständig wiederholende Rhythmus wird geradezu ikonisch repräsentiert durch das Schlagzeug. In der elektronischen oder elektronisch bearbeiteten Musik ist der Loop ein stehender Begriff. Musik-, Klang- und Geräusch-Ausschnitte werden in einer Endlosschleife abgespielt. Hier schließt sich der Kreis, um nicht zu sagen: der Loop, zum Mittelalter. Denn ein solcher Loop nichts anderes als ein Ostinato.