Die Pochette ist ein Instrument, in dem der Eine den Vorteil sieht, dass es klein und handlich ist, der Andere aber den Nachteil, dass es zu wenig Klangfülle bietet. Der Held einer der berühmtesten Novellen des 19. Jahrhunderts zählt zu den begeisterten Spielern.
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"Ich (…) zog meine Geige aus der Tasche und spielte schnell einen lustigen Ländler auf. (…) Als ich aber so bis zur Linde gekommen war, und mich mit dem Rücken dran lehnte, und immer fort spielte, da ging ein heimliches Rumoren und Gewisper unter den jungen Leuten, (…) und eh' ich's mich versah, schwenkte sich das junge Bauernvolk tüchtig um mich herum. Wie der erste Schleifer vorbei war, konnte ich erst recht sehen, wie eine gute Musik in die Gliedmaßen fährt." (Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts)
Es dürfte wohl eine Pochette sein, die der Titelheld in Joseph von Eichendorffs Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" da spielt: eine kleine Geige, die sich problemlos in die Tasche stecken lässt und auf der meist fröhliche Tanzmelodien gestrichen werden.
Bevor sich die Instrumente der Violin-Familie, also Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass, als wichtigste Streichinstrumente durchsetzten, gab es eine Vielzahl an unterschiedlichen Instrumenten, die besaitet waren und mit einem Bogen gespielt wurden. Die einen fanden großen Gefallen bei Spielern, Komponisten und Theoretikern, die anderen weniger. Die Pochette polarisierte.
"Die heisere und heimliche Strohfiddeln, gall. Poches, it. Bret-Violen haben sich den Tanz-Meistern gänzlich appropriirt" (Johann Mattheson: Das neu-eröffnete Orchestre)
Johann Mattheson beschreibt 1713 in seinem Buch "Das neu-eröffnete Orchestre" zahlreiche Instrumente. Und die Pochette gefällt ihm offensichtlich nicht sonderlich gut - er bemängelt das fehlende Klangvolumen.
Die Pochette ist deutlich kleiner gebaut als eine Geige, etwa 40 cm lang, und auch bei der Anzahl der Saiten gibt es einen Unterschied. Michael Praetorius schreibt im "Syntagma musicum" bei den Streichinstrumenten, dass die Geigen mit vier Saiten bezogen sind, "die gar kleinen Geiglein aber mit drey Saiten bezogen (uff französische Pochetto gegannt) und werden alle durch Quinten gestimmet." (Michael Praetorius: Syntagma musicum II)
Man kann mehrere Typen der Pochette unterscheiden: da gibt es welche mit birnenförmigem Korpus, oft mit nur drei Saiten. Und da gibt es solche mit bootsförmigem Korpus und vier Saiten. Auch die Geigenform existiert. Diese Instrumente wirken seltsam unproportioniert: Hals und Kopf sind - im Vergleich mit normalgroßen Geigen - zu wuchtig auf dem kleinen Korpus. Sogar solche mit zusätzlichen Resonanzsaiten wurden gebaut und dann als "Pochette d'amour" bezeichnet.
Die Pochette dürfte weniger als Ensembleinstrument konzipiert worden sein, sondern mehr als Instrument, das sich gut einpacken lässt und auf dem man mal eben eine Melodie vorspielen kann, gerne zum Tanz. Eine festgelegte Stimmhöhe gibt es daher wohl nicht für die Pochette. Der Name wurde aus dem Französischen entliehen und ist die Verkleinerungsform für "Tasche".
Die geringe Größe kann als Nachteil angesehen werden, wenn man ein Instrument mit vollem Klang will. Leopold Mozart aber sieht darin eher einen Vorteil: "Eine fast schon veraltete Art der Geigen sind die kleinen Sack- oder Spitzgeiglein, welche mit 4 oder auch nur mit 3 Seyten bezogen sind. Sie wurden, wegen ihrer Bequemlichkeit in den Schubsack zu stecken, gemeiniglich von den Herren Tanzmeistern bei Unterweisung ihrer Lehrlinge gebraucht." (Leopold Mozarts Violinschule)
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 23. Juni 2019, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK