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Das Stichwort vom 14. August
Quodlibet
Quodlibet – das lateinische Wort bedeutet wörtlich "wie es beliebt". Und tatsächlich ist in der gleichnamigen musikalischen Gattung alles erlaubt, ganz nach dem Belieben. Eine bunte Mischung präsentiert das Quodlibet – oft scherzhaft und karikierend, manchmal aber auch ernst und hintersinnig. Bezeichnenderweise nennt man die Gattung in Spanien Ensalada, in Frankreich Fricassée, in Italien Misticanza und in England Medley.
Die Ursprünge führen an die Pariser Sorbonne, an der im 13. Jahrhundert Disputationes de quod libet (wissenschaftliche Streitgespräche nach Belieben) aus dem Stegreif abgehalten wurden. Als musikalischer Gattungsbegriff aber erscheint das Wort erstmals in einem Liederbuch, das 1544 in Nürnberg im Druck erschien. Es ist Wolfgang Schmeltzls Sammlung "Guter, seltzamer, und künstlerisch teutscher Gesang, sonderlich etliche künstliche Quodlibet".
Bei der Verarbeitung der Melodien und Texte, die bevorzugt aus Volksliedern und verbreiteten Liedsätzen stammen, kann man grundsätzlich drei Arten unterscheiden: Erstens kann das Material ganz einfach aneinandergereiht sein. Zweitens können die Melodien und Texte aber auch übereinandergeschichtet werden, sodass sie gleichzeitig erklingen und sich zu einem polyphonen Satz verbinden. Und drittens natürlich können die beiden Verfahren – das simple Aneinanderreihen und das komplexe Übereinanderschichten – kombiniert werden.
So etwa im Nürnbergischen Quodlibet von Johannes Erasmus Kindermann, Musik aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Damals begann eine große Blütezeit des Quodlibets, getragen von fast allen sozialen Schichten. Trinksprüche, Sprichwörter, Wortspiele, lautmalerische Klangsilben durchziehen vielfach die Texte. Johann Valentin Rathgeber wurde zu einem prominenten Vertreter der Gattung. Eigene Melodien und lustige Texte kennzeichnen vielfach seine Quodlibets.
Mit dem Schlusssatz der Goldberg-Variationen und der Hochzeitskantate von Johann Sebastian Bach sowie mit der witzigen Orchestersuite Galimathias musicum des jungen Mozart erreicht das Quodlibet im 18. Jahrhundert einen letzten glorreichen Höhepunkt. Das 19. Jahrhundert hat dann kaum noch Sinn für die Gattung. Das 20. Jahrhundert entdeckt sie vereinzelt wieder, auch in Stücken, die gar nicht die Bezeichnung tragen. Das Finale der Zweiten Symphonie von Charles Ives aus dem Jahr 1901 hat jedenfalls viel von einem Quodlibet – nicht nur in der bunten Aneinanderreihung von Zitaten, sondern auch in dem augenzwinkernd frechen Humor, der die Gattung von Anfang an kennzeichnete.