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Sphärenharmonie Theorie über den Klang des Universums

Gibt es Musik, die nicht vom Menschen erzeugt wird? Die außerhalb der Erde entsteht? Darüber haben schon die Philosophen des Altertums nachgedacht.

Bildquelle: © gemeinfrei

Das Stichwort vom 24. Februar 2019

Sphärenharmonie

"Ich habe eben meine 8. vollendet. Es ist das Größte, was ich bis jetzt gemacht. Und so eigentlich in Inhalt und Form, dass sich darüber gar nicht schreiben lässt. Denken Sie sich, dass das Universum zu tönen und zu klingen beginnt. Es sind nicht mehr menschliche Stimmen, sondern Planeten und Sonnen, welche kreisen." Gustav Mahler (Brief)

Das schreibt Gustav Mahler in einem Brief, Anfang des 20. Jahrhunderts, nachdem er seine 8. Sinfonie komponiert hat und offensichtlich selbst noch ganz überwältigt ist. Die Idee, dass es Musik gibt, die nicht auf der Erde entsteht, die nicht von Menschen erzeugt wird, sondern überirdisch ist, diese Idee ist uralt. Sie entstand, als man noch dachte, dass die Erde das Zentrum des Universums ist, um das sich die übrigen Himmelskörper drehen.

Philosophische Darstellung

Zwei feste Körper, die aufeinander treffen, erzeugen einen Klang. Somit müssen also auch die Sphären, in denen sich die Himmelskörper befinden, einen Ton, eine Art Musik erzeugen, wenn sie sich berühren. Die Sphären stellte man sich in der Antike als mächtige Kugelschalen vor. Schon Pythagoras hat sich damit beschäftigt, das war im 6. Jahrhundert vor Christus. In seiner Theorie weist er jedem Planeten einen bestimmten Ton zu, womit sich eher ein Sphären-Akkord, eine Art Cluster, als etwa eine Melodie ergibt.

Später dann dachten auch Platon und Aristoteles über die Himmelstöne nach. Letzterer geht auf die Hörbarkeit dieser Klänge ein:

"Da es aber unbegreiflich erschien, dass wir diesen Klang nicht hören, so erklären sie, das komme daher, dass wir gleich von Geburt an diesen Klang hörten, so dass er uns gar nicht durch den Unterschied von der ihm entgegen gesetzten Stille zum Bewusstsein käme." Aristoteles "Vom Himmel"

Die Theorie der Sphärenharmonie findet sich noch Jahrhunderte später, bei Cicero, bei Bartolomé Ramos de Pareja, auch in fernen Kulturkreisen. Johannes Kepler dann hat sie neu betrachtet, schließlich war die Wissenschaft mittlerweile beim heliozentrischen Weltbild angekommen.

Ist die Übertragung auf irdische Instrumente möglich?

Neben all diesen Theoretikern gibt es auch Komponisten, die die Klänge der Sphären hörbar machen wollen. Von Cristofano Malvezzi gibt es ein Intermedium, das heißt "Die Harmonie der Sphären", da sind es die Sirenen, die im Universum Klänge hervorbringen - eine leichte Abänderung der Grundidee.

"Wir steigen herab vom Paradies und lassen die Sphären im Reigen sich drehen zu unserm Gesang an diesem Freudentag." Cristofano Malvezzi: "L'armonia delle sfere"

Sphärische Klänge

Während es bei Malvezzi sehr prächtig und damit ganz anders klingt als von Pythagoras oder anderen Theoretikern beschrieben, gibt es spätestens ab dem 20. Jahrhundert den Begriff der "sphärischen Klänge", der Musik meint, die schwebend, flirrend und eben irgendwie überirdisch klingt: die Töne einer Glasharmonika etwa oder Werke von Komponisten wie Eric Whitacre, Heinz Holliger oder Arvo Pärt. Werke, in denen der Rhythmus oft eine untergeordnete Rolle spielt und in denen manchmal auch Cluster erklingen. Vielleicht kommt das John-Cage-Projekt "As slow as possible", bei dem ein Stück in eine 639-jährige Unendlichkeit gedehnt wird, der Sphärenharmonie von aller bisher auf Erden gespielter Musik am nächsten…?

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 24. Februar 2019, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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