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Stichwort - Style brisé Barocke Technik der Akkordzerlegung

Wenn ein Musiker die Töne in einem Akkord nacheinander spielt, dann nennt man das eine Akkordbrechung. Im frühen Barock haben die französischen Lautenisten daraus eine eigene Spielweise entwickelt: den Style brisé.

Bildquelle: Anna Rosina Lisiewska

Als die Konzertgitarre in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu ihrem künstlerischen Höhenflug ansetzte, sahen sich die Interpreten oft einem Vorwurf ausgesetzt: Ob sie denn wirklich jeden Akkord zerlegt spielen müssten, also die Akkordtöne nacheinander. Das würde einem Pianisten, Streichquartett oder Orchester niemals einfallen. Was in den Noten übereinander steht, wird gleichzeitig gespielt, punctum. Es scheint aber in der Natur der mit den Fingern gezupften Saiteninstrumente zu liegen - wie zum Beispiel auch bei der Laute.

Zerlegter oder gebrochener Stil

In der französischen Barockmusik hat sich aus der Zerlegungslust der Lautenspieler sogar eine Eigenheit entwickelt, die heute als Style brisé bezeichnet wird. Das heißt nichts anderes als zerlegter oder gebrochener Stil. Und weil im 17. Jahrhundert auch die Tastenspieler diese Manier durchaus goutierten, wurde der Style brisé kurzerhand von der Laute auf das Cembalo übertragen und etwa bei Couperin schlicht "luthé", also lautenmäßig, genannt.

Reizvolle Unvorhersehbarkeit

Die Lautenisten verbanden die Akkordbrechungen mit der Hervorhebung von melodisch wichtigen Tönen, und zwar durchaus in einem polyphonen oder zumindest pseudo-polyphonen Gefüge. Damit wollten sie ihrem Instrument eine größere Klangfülle entlocken, aber trotzdem den Anforderungen einer kunstvollen Stimmführung gerecht werden. Im Ergebnis sind diese hervorgehobenen Töne oft verzögert und folgen keinem festgelegten Muster. Durch die unregelmäßigen Phrasenlängen ergibt sich eine reizvolle Unvorhersehbarkeit.

Der erste, der den Style brisé konsequent als Prinzip einsetzte, war Robert Ballad Anfang des 17. Jahrhunderts. Nach und nach wurde der Style brisé zur Mode und typisch für die französischen Lautenschule. Die Lautenisten münzten eine Schwäche ihres Instruments zu einer Stärke um, die in der Musik für Tasteninstrumente auch viel später noch ihre Spuren hinterlassen hat: hier wurzelt zum Beispiel die versteckte Mehrstimmigkeit der Arpeggiofiguren bei Frédéric Chopin.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" am 21. Mai 2017, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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