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Stichwort - Tombeau Musikalischer Grabstein

Grabmal | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Stichwort | 31.01.2016

Tombeau

Das französische Wort "Tombeau" bedeutet "Grabstein". Ursprünglich bezeichnet dieser Begriff eine poetische Gattung, nämlich eine Art Sammlung von Nachrufen auf den König oder Mitglieder der königlichen Familie. Noch in der Renaissance erweitern Pariser Dichter die Runde der Adressaten um namhafte Kollegen. Ein frühes Beispiel stammt von dem Lyriker Pierre de Ronsard, der seinen Kollegen Marc-Claude de Buttet liebevoll beschreibt:

CELUY QUI GIST SOUS CETTE TOMBE ICY
AIMA PREMIERE UNE BELLE CASSANDRE
AIMA SECONDE UNE MARIE AUSSY,
TANT EN AMOUR IL FUT FACILE A PRENDRE.
DE LA PREMIERE IL EUT LE CŒUR TRANSY,
DE LA SECONDE IL EUT LE CŒUR EN CENDRE,
ET SI DES DEUX IL N'EUT ONCQUES MERCY
(Pièces ajoutées aux Amours Livre II, Paris, 1560)

Solistische Visitenkarte

Im 17. Jahrhundert übernehmen Vertreter der Komponisten-Zunft die Tombeau-Tradition von den Dichtern. Komponisten sind zu jener Zeit meist auch angesehene Virtuosen. Mit ihren Tombeaux schaffen sie getragene, stilistisch freie und dennoch technisch sehr anspruchsvolle Werke. Die Absicht ist eine zweifache: Zum einen zieht man den Hut vor dem dahingegangenen Kollegen - so wird der Bedachte immer im Titel des musikalischen Grabsteins genannt. Zum anderen möchte man sich mit dieser solistischen Visitenkarte auch bei den Kollegen und potentiellen Auftraggebern empfehlen. Bei näherem Betrachten lassen sich ganze Tombeau-Kettenbriefe erkennen:

So schreibt der Gambenvirtuose Charles Dollé ein "Tombeau de Marin Marais". Marin Marais wiederum errichtet ein "Tombeau de Monsieur de Sainte-Colombe". Monsieur de Sainte-Colombe seinerseits bedenkt den Vater Monsieur de Sainte-Colombe le père.

Die meisten Tombeau-Kompositionen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts sind für das bevorzugte Soloinstrument Laute, bzw. Theorbe geschrieben, einige aber auch für Viola da Gamba, Barockgitarre oder Clavecin. Ein Tombeau kann ein freies Einzelwerk sein oder eine lose Folge von getragenen Tänzen. Vereinzelt widmet man nicht nur Kollegen sondern auch Förderern einen Tombeau, wie etwa den bei einem Treppensturz verunglückten Pariser Musikliebhaber Monsieur Blancrocher, dem François Dufaut, Denis Gaultier, Johann Jakob Froberger und François Couperin ein musikalisches Denkmal setzen.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts verschwindet die Tradition der Tombeaux. Erst im 20. Jahrhundert wird diese Gattung - wiederum von französischen Komponisten - zu neuem Leben erweckt. Allerdings mit einer etwas anderen Perspektive. So versteht Maurice Ravel sein "Tombeau pour Couperin" aus dem Jahre 1919 "weniger eine als Hommage an Couperin allein, als vielmehr an die gesamte französische Musik des 18. Jahrhunderts".

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