Das englische Wort Ground bedeutet auf Deutsch eigentlich Erde, oder Fußboden. Was kann das nun mit Alter Musik zu tun haben? Das Stichwort klärt auf!
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Ein Ground ist zuerst einmal eine Melodie, die meistens im Bass liegt und mehrmals bis vielmals hintereinander erklingt. Der Begriff Ground, oder ground bass, wurde vermutlich zuerst im späten 16. Jahrhundert in England verwendet - aber das Phänomen selbst erfreute sich nicht nur dort enormer Beliebtheit. Nun ist so ein Ground allein aber zugegebenermaßen spätestens nach der fünften Wiederholung musikalisch eigentlich nicht mehr so rasend interessant...
Und deshalb taucht ein Ground - oder, in Italien, basso ostinato - denn auch gewöhnlich nicht einsam und alleine auf, sondern als Fundament für ein, zwei oder mehr Oberstimmen jeglicher Art, die sich über dem Bass in fröhlichen Variationen ergehen. Manchmal sind diese Oberstimmen reich verziert, manchmal zumindest teilweise improvisiert - aber in jedem Falle kann man sagen: Da ist immer ordentlich was los.
Wer wo zuerst ein Stück mit Ground-Bass geschrieben hat, ist unklar; aber man kennt wiederholte Bassfiguren jedenfalls schon aus dem 13. Jahrhundert. Dann sind vor allem aus Italien ab Ende des 15. Jahrhunderts viele dieser äußerst beliebten Formen belegt. Dort entwickelten sie sich wohl aus den wiederholten Harmoniefolgen einfacher Renaissancetänze. Bestimmte Bass- oder Harmoniemodelle bekamen im Laufe der Zeit dann Eigennamen, und heißen, je nach Land, Rhythmus, Melodie und Mode etwa Romanesca, Folia, Passamezzo, Chaconne, Spagnoletta oder Pavana - obwohl man sie alle immer noch unter dem Überbegriff Ground subsumieren kann.
Die Länge eines Grounds ist übrigens relativ variabel. Der wohl kürzeste der Musikgeschichte stammt von William Byrd, heißt The Bells und besteht aus exakt zwei Tönen. Dann gibt es Grounds, die einen oder mehrere Takte lang sind - oder auch mal Halbtakte, so dass sich der Schwerpunkt im Takt immer wieder verschiebt. Andere Grounds sind mehrstimmig, so dass die unteren Stimmen gemeinsam für den repetitiven Teil einer Komposition verantwortlich sind, während eine oder mehrere Oberstimmen darüber jubilieren.
Und weil die Engländer ihren Ground ganz besonders liebten, nannten sie gleich eine ganz Gattung so. Beispielsweise bei Henry Purcell kann man also Stücke finden, die etwa Ground in c oder A Ground in Gamut heißen. Purcell benutzte das Modell aber auch gerne für Vokalwerke - wie übrigens auch Claudio Monteverdi, von dem einige der berühmtesten Exemplare der Musikgeschichte stammen. Weitere kennt man von Pachelbel - zum Beispiel dessen Kanon -, Bach, Mozart oder auch noch Alban Berg.
Daraus kann man schon ersehen: Ausgestorben ist diese äußerst beliebte Gattung nie, sondern sie taucht sogar noch in moderner Unterhaltungsmusik auf - je nach Genre unter Bezeichnungen wie Loop, Riff oder Vamp. Allerdings dann doch nicht mehr ganz so genial und virtuos wie vor 400 Jahren bei Monteverdi!
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 21. Mai 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK