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Vibrato Leichtes Beben oder Zittern eines Tones

Vibrato oder kein Vibrato – das ist hier die Frage. Die Antwort, ob man denn nun vibriert in der Alten Musik und wenn ja: wann, wie oft und wie; diese Antwort fällt recht unterschiedlich aus. Sie lautet aber weder "immer" noch "nie".

Bildquelle: colourbox.com

Stichwort | 04.12.2011

Vibrato

Das Vibrato gehört zu den zahlreichen Alltagsgeräuschen, die uns umgeben. Hören kann man es in der elektrischen Zahnbürste, im Mobiltelefon und im fast gleichnamigen Sexspielzeug. Doch nicht nur im Alltagsleben, auch in der klassischen Musik werden wir laufend mit vibrierenden Tönen konfrontiert. Etwa bei den Saiteninstrumenten. Hier entsteht das Vibrato, indem der Spieler den Finger auf der Saite hin- und herbewegt, wodurch periodische Schwankungen in der Tonhöhe entstehen. Diesem leicht bebenden Ton wird mehr Ausdruckskraft zugeschrieben.

VIBRATO = EMOTION?

So wie in einer Aufnahme aus den 60er Jahren der Geiger Jascha Heifetz ein Violinkonzert von Bach im Dauervibrato spielt, wird Alte Musik heute nur noch selten dargeboten. Die historisch informierte Aufführungspraxis empfindet diesen Klang der künstlich vibrierenden Stahlsaiten als zu dick, und bevorzugt den vibratolosen Ton einer mit Darmsaiten bezogenen Barockvioline.

Die Barockgeige von Pablo Valetti vom Ensemble Café Zimmermann klingt viel schlanker und gradliniger. Noch aufdringlicher in der Alten Musik wirkt das durchgehende Vibrato sämtlicher Streichinstrumente und zahlreicher Blasinstrumente in einem Sinfonieorchester. Dieser "dicke" Sound hat sich erst ab den 1920er Jahren als Klangideal durchgesetzt.

BITTE NICHT PERMANENT!

"Dieses Dauervibrato, was man heute grundsätzlich macht, das ist für mich unerträglich. Denn man hört eine Melodie nie so, wie man sie in Noten lesen kann, sondern dauernd so als wäre überall ein Trillerzeichen drauf. Ich empfinde das als unerträglich. Das ist so, wie wenn ich zum Essen gehe und grundsätzlich Ketchup nehme, auch für die Nachspeise, für die Apfelküchle."

Das findet Wolfgang Riedelbauch, der ehemalige Künstlerische Leiter des Klassik-Festivals Fränkischer Sommer. Und mit dieser Meinung steht er nicht allein da. Selbst moderne Komponisten wie Igor Strawinsky oder Arnold Schönberg lehnten diese Art des Vibratos ab. Letzterer verglich es sogar mit dem Meckern einer Ziege.

NICHT VERTEUFELN, SONDERN KLUG DOSIEREN

Auch viele Sängerinnen und Sänger schmettern gern im Vibrato, indem sie Zwerchfell und Kehlkopf zum dauernden Zittern bringen, so wie der Tenor Franco Corelli, wenn er "Ombra mai fu" singt. Dabei kann dieser Händel-Hit auch ganz anders gesungen werden, wie Countertenor Andreas Scholl beweist.

Auch der deutsche Countertenor verzichtet nicht vollständig aufs Vibrato, aber er setzt es nur punktuell ein als Mittel der Gestaltung und Verzierung. In der Alten Musik ist das Vibrato also nicht grundsätzlich des Teufels, vielmehr gilt die Devise des alten Paracelsus: "Allein die Dosis macht, ob ein Ding ein Gift sei."

"Ein großer Trugschluss ist auch immer, glaube ich, dass man das Vibrato mit Ausdruck verbindet. Man kann das machen, wenn man es dosiert einsetzt für manche Stelle, aber das permanente Vibrato mit einem Espressivo zu vergleichen ist so, als würde ich ständig mit Vibrato sprechen." Wolfgang Riedelbauch

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 4. Dezember 2011, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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