Ein Stichwort Wolfenbüttel - wieso denn das? Um diese Frage zu beantworten, muss man einige Jahrhunderte zurückblicken, in die Zeit, in der die kleine Stadt in Niedersachsen als Zentrum norddeutscher Musikpflege in aller Munde war. Oder man muss hinfahen und die Herzog-August-Bibliothek besuchen, in der noch heute einige der bedeutendsten Drucke des 17. Jahrhunderts gerade im Bereich der Musiktheorie, aber auch der Noten zu finden sind. Hören Sie dieses Stichwort und lassen Sie sich überzeugen, dass es durchaus seine Berechtigung hat!
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Zugegeben: Die 50.000-Einwohner-Stadt ist in unseren Tagen nicht gerade der Ort, an dem der altmusikalische Bär besonders ausgeprägt toben würde. Doch das war nicht immer so: Schon seit dem 12. Jahrhundert regierten hier die Herzöge von Wolfenbüttel - oder Braunschweig-Wolfenbüttel - und das waren teilweise höchst musikaffine Gesellen.
So richtig heftig tobte der besagte Bär ab 1589, als Herzog Heinrich Julius die Herrschaft übernahm. Denn der lud nicht nur beispielsweise John Dowland zu einem Aufenthalt in Wolfenbüttel ein, sondern stellte 1595 auch den damals erst 24-jährigen Michael Praetorius als Organisten und später als Hofkapellmeister an. Damals galt Wolfenbüttel über zwei Jahrzehnte als eines der wichtigsten Musikzentren im norddeutschen Raum. Doch leider, leider fiel sodann ein Apfel ziemlich weit vom Stamm: Heinrich Julius' Sohn, der 1613 Herzog wurde, war nicht sonderlich musikinteressiert - das Aus für Praetorius in Wolfenbüttel.
Erst gegen Mitte des 17. Jahrhunderts ging es dann musikalisch wieder aufwärts: Inzwischen saß August der Jüngere von Braunschweig-Lüneburg auf dem Herzogsthron, und der war ein begeisterter Bücherwurm. Das Herzogshaus besaß nun zwar schon seit 1572 eine eigene Bibliothek, aber erst August widmete sich ihr mit wirklicher Leidenschaft, was dazu führte, dass die nach ihm benannte Bibliothek bei seinem Tod 1666 als die größte ihrer Art nördlich der Alpen und gar als 8. Weltwunder galt. Noch heute besitzt sie eine der wichtigsten Sammlungen deutscher Drucke vor allem des 17. Jahrhunderts; darunter auch viele Noten.
Dass auch die musikalische Bedeutung der Stadt in dieser Zeit wieder zunahm, verdanken wir aber vor allem Augusts Gattin Sophie Elisabeth, die 1655 Heinrich Schütz als externen Berater für die Hofkapelle engagierte. Der empfahl nun also Musiker, schickte Kompositionen und schaute ab und an auch selbst vorbei, um sich von der Qualität der Kapelle zu überzeugen - und diese frühe Form des Consulting führte zu glanzvollen Resultaten vor Ort.
Nach Augusts Tod 1666 sorgte Herzog Anton Ulrich über knapp fünf Jahrzehnte für eine neuerliche musikalische Blütezeit Wolfenbüttels, von der Kirchenmusik bis zur Oper. Unter den Kapellmeistern, die damals für das Haus tätig waren, finden sich so klangvolle Namen wie Johann Rosenmüller, Johann Theile oder Reinhard Keiser, die alle zur Crème de la Crème der damaligen Musikszene gehörten. Das Aus für den Wolfenbütteler musikalisch tobenden Bären kam 1753. Damals wurde die Herzogsresidenz nach Braunschweig verlegt - und damit versackte Wolfenbüttel wieder in musikhistorische Bedeutungslosigkeit.