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Anne-Sophie Mutter aus der Covid-19-Quarantäne "Pendereckis Tod erschüttert mich tief"

Seit Freitag ist bekannt, dass sich die Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter in Quarantäne befindet, weil sie positiv auf das Corona-Virus getestet wurde. Zuhause erreichte sie auch die Nachricht vom Tod des Komponisten Krzysztof Penderecki, dem sie sehr verbunden war. Ein Telefonat in die Quarantäne.

Das Interview in voller Länge zum Anhören:

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BR-KLASSIK: Vor einigen Tagen haben Sie bekannt gegeben, dass Sie positiv auf Covid-19 getestet wurden. Wie geht es Ihnen?

Anne-Sophie Mutter: Es ging mir durchweg gut, ich habe sehr wenig Symptome, da kann ich mich nicht beklagen. Ich halte natürlich die Regeln streng ein: Ich trage eine Maske im Haus und halte mich von meinen Hausbewohnern fern, die ich zum Glück alle nicht angesteckt habe.

BR-KLASSIK: Krzysztof Penderecki ist gestorben. Sie waren über dreißig Jahre lang eng künstlerisch mit ihm verbunden. Wie haben Sie seinen Tod aufgenommen?

Anne-Sophie Mutter: Penderecki hat mein Leben enorm bereichert. Sein Tod erschüttert mich tief, besonders, weil wir ihn jetzt nicht so feiern dürfen wie wir das gerne würden, nämlich indem wir seine Werke aufführen.

Pendereckis Werke als Mahnmale

BR-KLASSIK: Was sagen die Werke, die er Ihnen gewidmet hat, über ihn als Komponisten aus?

Anne-Sophie Mutter: Er war ein sehr wandlungsfähiger Komponist, der gerade in den 1960er- und 1970er-Jahren atonal und experimentell schrieb. In den 1990er-Jahren besann er sich dann aber doch wieder auf eine Tonsprache, die mit einem hohen Wiedererkennungseffekt die Extreme der menschlichen Stimme oder auch der Spielbarkeit eines Instruments auslotete. Ich finde, das zeichnet einen Komponisten immer aus.

Krzysztof Penderecki hat immer an die großen Momente der Menschheitsgeschichte erinnert.
Anne-Sophie Mutter

BR-KLASSIK: Welche Werke schätzen Sie besonders?

Anne-Sophie Mutter: Ich mag seine geistlichen Werke. Oder auch die großen Erinnerungs-Musiken wie "Seven Gates of Jerusalem" oder "Threnos für die Opfer von Hiroshima". Er war ein Mann, der immer an die großen Momente in der Menschheitsgeschichte erinnert hat. Sehr viele seiner Werke sind Mahnmale dafür, dass es keine Wiederholung geben darf. Er hat uns diese tönernen Skulpturen hinterlassen, um bessere Menschen zu werden.

Pendereckis "Metamorphosen" als Lebensfaden

BR-KLASSIK: Penderecki hat seine "Metamorphosen" für Sie geschrieben. Haben Sie deshalb eine ganz besondere Beziehung zu diesem Werk?

Krzysztof Penderecki widmete Anne-Sophie Mutter sein Werk "Metamorphosen" | Bildquelle: picture-alliance/dpa Anne-Sophie Mutter: Die "Metamorphosen" haben mich schon 1994 begleitet, in einer Zeit, als mein Mann schon schwer an Lungenkrebs erkrankt war und unser Sohn zur Welt kam. Und genau diese musikalische Verwandlung in Pendereckis Konzert musste ich im Leben und Sterben meines Mannes mit ertragen. Das Werk ist für mich zu einem Lebensfaden geworden. Auch losgelöst von dieser persönlichen Geschichte hat das Werk einen besonderen Stellenwert für mich, weil es über eine unglaubliche emotionale Kraft des Aufrüttelns und des Schmerzes verfügt. Außerdem steckt auch viel Hoffnung drin. Jeder von uns hat sein Päckchen zu tragen, und da ist es ganz wichtig, dass wir diese Momente des Lichts und der Schönheit im Leben erkennen und genießen – für die dunkleren Tage.

Musik in der Corona-Krise

BR-KLASSIK: Was hören und spielen Sie denn momentan, um durch diese Zeit der Corona-Krise zu kommen?

Derzeit in Covid-19-Quarantäne: Anne-Sophie Mutter | Bildquelle: © Monika Höfler Anne-Sophie Mutter: Ehrlich gesagt bin ich zurzeit sehr schnell müde und groggy. Das ist vielleicht auch seelischen Ursprungs, weil mich das Leid um uns herum wahnsinnig belastet. Die vielen Menschen, die zum Beispiel in Italien sterben – es ist eine Extremsituation. Nicht zu vergessen: die Flüchtlinge auf Lesbos. Dort sind 20.000 Menschen auf einer Fläche, die nur für 3.000 ausgelegt war; keine medizinische Hilfe. Das Chaos und das Leid sind einfach nicht zu ertragen. Das hat dazu geführt, dass ich mich in einer Art Lähmung befinde und die Kraft nicht aufbringe zu musizieren. Ich lese momentan ein Buch über Beethoven, und das ist eigentlich alles, womit ich mich beschäftige, wenn ich nicht versuche, Treppen zu steigen.

Das Leid um uns herum belastet mich wahnsinnig.
Anne-Sophie Mutter

BR-KLASSIK: Wir wünschen Ihnen und allen Covid-19-Erkrankten gute Besserung.

Anne-Sophie Mutter: Vielen Dank, bleiben Sie gesund! Und gerade im Hinblick auf meine Covid-19-Erkrankung und die anderen Erkrankten ein Zitat von John Williams: "Onwards and upwards we must go" – und so machen wir’s.

Sendung: "Leporello" am 30. März 2020 um 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK