Wie atmet man gleichzeitig aus und ein? Mit der sogenannten Zirkularatmung. Emmanuel Pahud verrät im Interview, wie sie funktioniert, und warum er Komponisten wie François Devienne besonders schätzt.
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BR-KLASSIK: Der Ton der Querflöte klingt so leicht und zart, aber es steckt ja wohl ganz schön harte Arbeit dahinter. Worauf kommt es denn beim Flötenspiel vor allem an?
Emmanuel Pahud: Die Flöte ist ein Instrument, wo der Luftverbrauch sehr hoch ist. Das heißt, man hat nur kurz Zeit zum Einatmen und muss dann in einer Phrase so lange wie möglich durchhalten, bis man wieder Luft holen kann. Versuchen Sie mal, eine halbe Sekunde einzuatmen, und dann 20 Sekunden zu reden - und das dreimal hintereinander.
BR-KLASSIK: Da wird einem schwindlig, wenn man nicht geübt ist.
Emmanuel Pahud: Genau, da hyperventiliert man dann. Der erste Kontakt mit dem Instrument ist schon viel physischer als man sich das vorstellt, weil die Luft so schnell weggeht. Aber natürlich ist es eine Sache der Erfahrung, es gibt viele Übungen dazu. Und die Technik, wie man den Klang projiziert, wie man einatmet und stützt, ist ziemlich ähnlich zu dem, was Sänger machen.
BR-KLASSIK: Bleiben wir bei der Atmung: Ich habe bei einer Flötistin mal ein Übungsgerät für die Zirkularatmung gesehen. Das war ein Apparat, in den sie unten hineingepustet hat, dann ist ein Tischtennisball aufgestiegen und hat auf dem Luftstrom geschwebt. Ziel der Übung war es, den Ball gleichbleibend hoch schweben lassen. Wie funktioniert denn die Zirkularatmung?
Emmanuel Pahud: Man trennt quasi im Gaumenbereich die Luft, die im Mund ist, ab und benutzt sie dann als Reserve. Und während man sie auspustet, indem man mit den Mund- und Backenmuskeln drückt, atmet man durch die Nase ein.
BR-KLASSIK: Man macht also hinten im Rachen zu und drückt die Luft weiter aus dem Mund heraus, während man gleichzeitig durch die Nase einatmet?
Emmanuel Pahud: Ziemlich genau. Problematisch ist aber nicht die Durchführung. Schwierig sind die Anschlüsse davor und danach: Wie verbindet man die Luft, die aus dem Mund rausgepustet wird, mit der Luft, die aus der Lunge kommt? Dafür braucht man ein bisschen Widerstand, und deshalb ist das bei der Flöte bei den tieferen Tönen gar nicht möglich. Das geht nur in der mittleren oder in den oberen Oktaven, eben dort, wo der Luftdruck etwas erhöht ist. Deswegen gibt es auch gewisse klangliche Einbußen, da man den Druck künstlich erhöhen muss.
BR-KLASSIK: Bei Ihrem Auftritt am 31. Januar spielen Sie ein Konzert des Mozart-Zeitgenossen François Devienne, das auch auf Ihrer vorletzten CD zu finden ist. Sie trägt den Titel "Revolution" und stellt Werke aus der Zeit der Französischen Revolution vor. Damals war die Flöte sehr in. Was ist denn so revolutionär an der Flöte?
Bildquelle: Josef Fischnaller licensed to EMI Classics Emmanuel Pahud: Das war eine Zeit, in der sich die Weltordnung komplett verlagert hat. Neu war, dass jemand wie François Devienne - er war selbst Flötist, hat aber auch als Pädagoge Bücher über das Flötenspiel veröffentlicht - als Komponist selber Stücke à la Mozart geschrieben hat und als Konzertveranstalter andere Zeitgenossen vorgestellt hat. Das waren die ersten Konzerte, die auch der Öffentlichkeit zugänglich waren; bis dahin waren solche Veranstaltungen nur Adligen vorbehalten. In Frankreich gab es Ballett- und Militärmusik zu hören, aber so schöne Musik wie die Flötenkonzerte aus dieser Zeit - das war wirklich etwas Neues. Und natürlich ist auch die Virtuosität der Flötenstimme viel herausfordernder als beispielsweise bei Mozart, der selber kein Flötist war.
BR-KLASSIK: Sie haben es gerade schon gesagt: Devienne war selbst Flötist und hat auch eine Flötenschule herausgebracht. Woran hört man denn, dass er sich mit der Flöte ausgekannt hat?
Emmanuel Pahud: Auf jeden Fall sind seine Läufe viel schneller, und auch bei der Artikulation sind die Herausforderungen viel größer. Im Gegensatz zu einem Komponisten, der mit dem Instrument weniger vertraut ist, wusste Devienne genau, welche Töne stark klingen was besonders wirkungsvoll ist. Natürlich war er kein Paganini oder Liszt, denn die Instrumentalkomposition war noch am Anfang. Aber seine schnellen Läufe von oben nach unten sind unglaublich gekonnt, und die Spitzentöne sind viel höher als bei Mozart. Auch im Kampf gegen das Orchester fordert Devienne die Flöte viel mehr heraus.
BR-KLASSIK: Wäre Komponieren auch etwas für Sie? Sie haben ja auch Jazz gespielt, also zumindest das Improvisieren sind Sie gewohnt.
Emmanuel Pahud: Nein. Ich komponiere höchstens die Kadenzen zu meinen Konzerten, und die sind inspiriert von den Werken selbst. Dabei versuche ich immer, Material aus den Konzerten zu verwenden, und es dann anders zu beleuchten.
Das Gespräch führte Kathrin Hasselbeck für BR-KLASSIK.
Dienstag, 31. Januar 2017, 20:00 Uhr
Prinzregententheater, München
Joseph Haydn
Symphonie Nr. 47 G-Dur Hob. I/47
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Flöte und Orchester D-Dur KV 285d
François Devienne
Konzert für Flöte und Orchester Nr. 7 e-Moll
Wolfgang Amadeus Mozart
Symphonie Nr. 29 A-Dur KV 201
Emmanuel Pahud, Flöte
Kammerakademie Potsdam
Leitung: Trevor Pinnock