Man kennt ihn unter anderem als Kommissar Hanns von Meuffels im Münchner Polizeiruf 110. Privat ist der Schauspieler Matthias Brandt ein großer Klassik-Fan, der sich bereits seit Jahren auch mit Robert Schumann beschäftigt. Nun hat er in der neuen Schumann-Hörbiografie von Jörg Handstein dem Komponisten seine Stimme geliehen.
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Das Interview zum Anhören
BR-KLASSIK: Herr Brandt, bereits vor zwei Jahren haben wir darüber gesprochen, ob Sie vielleicht bei einer Hörbiografie mitmachen. Da ging es um Tschaikowsky oder Schumann. An dem Leuchten in Ihrem Gesicht habe ich gemerkt, dass Ihnen Robert Schumann besonders nahe ist. Warum?
Matthias Brandt: Das ist in der Tat so. Schumann ist ein Komponist, den ich für mich relativ spät entdeckt habe. Ich kann gar nicht so genau sagen, woran das lag. Es war auch keine Aversion. Aber irgendwie war das für mich ein bisschen Arbeit, mich ihm zu nähern. Als ich das aber getan habe, ist er mir wieder besonders nahegekommen in seiner ganzen Zerrissenheit und Unfertigkeit: Das ist ja ganz oft keine fertige geschlossene Musik, sondern die Arbeit liegt so offen und an der Oberfläche – im positivsten Sinn. Man wird Teil des Prozesses, wie Musik hergestellt wird. Es hat gar nichts Hermetisches.
BR-KLASSIK: Gibt es irgendeine Werkgruppe, die Ihnen besonders nahe ist? Die Lieder vielleicht? Als Schauspieler mag man ja Texte und Schumann war ein enorm literarischer Mensch.
Matthias Brandt: Ich habe die Symphonien als letztes für mich entdeckt. Vor ein paar Jahren habe ich mich mal wirklich damit beschäftigt, weil ich ja in Berlin lebe und die Philharmoniker haben einen Schumann-Zyklus gemacht. Da habe ich die auch alle gehört. Schumann ist auch ein Komponist, den Rattle sehr mag, glaube ich. Da ist das auf fruchtbaren Boden gefallen und man merkte, mit welchem Spaß da musiziert wurde. Dadurch hat sich für mich noch einmal eine ganz neue Welt aufgetan. Insofern sind die Symphonien eigentlich im Moment für mich das, was ich am meisten von Schumann höre.
BR-KLASSIK: Und die Lieder?
Matthias Brandt bei der Aufnahme der Schumann-Hörbiografie "Die innere Stimme" | Bildquelle: audioberlin/BR/Matthias Scheuer Matthias Brandt: Die Lieder sind für mich auch deshalb interessant, weil ich mit einem befreundeten Musiker zusammen an einem Bühnenabend über Schumann arbeite, der sich ausschließlich mit seinen letzten Jahren beschäftigt, wo er sich in der Irrenanstalt oder, wie man heute höflicher sagt, Nervenheilanstalt aufhielt. Ein Bühnenabend, der sich ganz wesentlich auf einen wunderbaren Roman bezieht, den Peter Härtling geschrieben hat, mit dem Titel: "Schumanns Schatten." Mein Kollege und Bühnenpartner Jens Thomas ist Pianist und Sänger. Deshalb haben wir uns auch gemeinsam mit den Liedern sehr ausführlich beschäftigt. Natürlich liegt in den Liedern die Seele sehr offen.
In den Liedern liegt die Seele sehr offen.
Matthias Brandt liest Schumann-Texte - Alle Folgen der Reihe hier als Podcast zum Anhören und Herunterladen: "Robert Schumann - Kritiker und Prophet"
BR-KLASSIK: Genie und Wahnsinn ist ja ein sehr abgegriffenes Klischee und auch ein sehr gefährliches. Auf der anderen Seite ist die seelische Gefährdung, der Schumann immer ausgesetzt war, auch ein kreatives Potential für ihn gewesen, oder?
Komponist Robert Schumann ruinierte seinen Finger selbst mittels ungewöhnlicher Heilmethoden. | Bildquelle: imago/Montage BR-Klassik Matthias Brandt: Ja, ich glaube, jeder, der künstlerisch tätig ist, weiß auch um diese Gefährdungen. Man hat dann nur ein unterschiedlich starkes Immunsystem, weil das natürlich eine Arbeit ist, die einen immer wieder und dauerhaft sehr anrührt. Man muss dann schon Strategien entwickeln, um trotzdem ein normales Leben zu leben und ein halbwegs kompatibles Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu sein. Den einen gelingt das besser und den anderen weniger gut, und die einen sind noch gefährdeter als die anderen. Schumann ist eben ein sehr gefährdeter gewesen, und das hat sich ja auch sehr früh gezeigt. Alleine, wenn man sich diesen Irrsinn anguckt, als er sich seine Pianistenkarriere versaut hat durch diese schreckliche Maschine, in die er seinen Ringfinger eingespannt hat. Er hat sich durch diese barbarische Methode die Hand ruiniert. Dazu muss man ja auch eine Disposition haben: Selbstqual. Das ist mir nicht fremd, diese Zustände und Anfechtungen kennt jeder kreative Mensch, man geht nur unterschiedlich damit um.
Man muss Strategien entwickeln, um trotzdem ein normales Leben zu leben und ein halbwegs kompatibles Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu sein.
BR-KLASSIK: Gab es in Ihrer Karriere einen Punkt, an dem Sie gemerkt haben: Ich muss mich jetzt quälen, aber jetzt bin ich vielleicht zu weit gegangen beim Training oder beim Blick in die eigenen Abgründe?
Matthias Brandt: Ja, das gibt es natürlich. Das gab es, und das gibt es. Man fordert diese Grenze ja auch heraus, weil vor dem Moment, wo es gefährlich wird, lauert etwas sehr Interessantes. Das weiß man, und deshalb will man da hin. Umso wichtiger ist es, dann zu merken: Bis hierhin und nicht weiter. Stopp! Zumal in der Schauspielerei, wo es nicht mal ein Instrument gibt, auf das ich das projizieren kann, sondern wo ich ja mein eigenes Instrument bin. Da gab es natürlich immer mal wieder Momente, wo ich zu weit gegangen bin oder mein Instrument auch misshandelt habe auf der Suche nach etwas. Wenn da eine Figur den Wahnsinn forderte, dann wollte ich auch wissen, was der Wahnsinn ist. Da gibt es manchmal Realitätsverschiebungen, wo man entweder sich selber zurückholen muss oder darauf angewiesen ist, dass wohlwollende Menschen um einen herum sind, die sagen: 'Hallo, hier, komm mal zurück.' Das ist ja nichts, was man per se meidet als Künstler, sondern das ist ja immer ein Bereich, der einen lockt.
BR-KLASSIK: Was lockt Sie denn ins Radiostudio als Schauspieler, wo Sie mit Ihrem Körper, mit Ihrer Mimik gar nicht vorkommen, sondern nur mit Ihrer Stimme?
Matthias Brandt: Ich habe immer sehr gerne mit der Stimme gearbeitet, ich bin ja ursprünglich Theaterschauspieler, bevor ich angefangen habe, mehr vor der Kamera zu stehen. Da ist die Stimme natürlich immer noch ein ganz wichtiges Ausdrucksmittel, und der Film wiederum ist ja ein Bildmedium. Da ist die Sprache eher untergeordnet. Da fehlt mir das auch manchmal, und mir fehlt auch manchmal die Komplexität von Texten. Ich setze mich auch gerne mit anspruchsvolleren oder komplizierteren Texten auseinander und versuche, sie erst mal für mich zu verstehen und einen Weg zu finden, dass derjenige, dem ich sie erzähle, dann auch verstehen kann. Insofern ist das Radio ein Medium, das ich unheimlich mag, und ein zeitloses Medium, wo ich auch das Gefühl habe, dass es im Moment wieder moderner wird. Das Fernsehen kriselt, glaube ich, viel stärker als das Radio. Das Radio übersteht diese vielen Veränderungen. Die Leute hören gern. Ich auch.
Sendung: "Leporello" am 22. November 2018, 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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