In jeder Religion spielt auch die Musik eine Rolle, als emotionaler Träger der jeweiligen Glaubensbotschaft. BR-KLASSIK stellt vier Musiker vor, die sich in den Dienst des Glaubens gestellt haben - anlässlich der ARD-Themenwoche 2017 unter dem Motto "Woran glaubst du?"
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Im jüdischen Gottesdienst teilen sich der Rabbiner und der Kantor die Aufgaben. Während sich der Rabbiner vornehmlich mit den biblischen Texten und ihrer Auslegung beschäftigt, baut der Kantor auf seine Stimme und singt. Nikola David ist Kantor in der liberalen jüdischen Gemeinde "Beth Shalom" in München. Ursprünglich war er Opernsänger. Nach 15 Jahren folgte er jedoch seiner inneren Stimme.
Durch die Wandlung vom Opernsänger zum Kantor habe ich meine Identität und meinen Glauben gefunden. Die Musik hat mir sehr geholfen.
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In der osteuropäischen Tradition sei es wichtig gewesen, dass ein Kantor eine ausgebildete Stimme mit Stütze und Position hat, so Nikola David. "Wir haben wunderbare Kantoren aus Osteuropa, die später Opernsänger geworden sind, oder umgekehrt."
Der Kantor stellt mit seinem Gesang eine Verbindung zwischen der Gemeinde und einer göttlichen Ebene her. Musikalisch hat er dafür viele Freiheiten: Er kann, ja er soll sogar über traditionelle Melodien improvisieren. Im Regelfall hat ein Kantor eine geradezu sportliche Kondition. Vor allem an den hohen jüdischen Feiertagen dauert ein Gottesdienst nicht selten mehrere Stunden.
Werner Pees ist seit knapp 30 Jahren Domkapellmeister am Bamberger Dom. Dort leitet er drei Chöre mit fast 400 Knaben-, Mädchen- und Männerstimmen. Die Hauptaufgabe der Ensembles besteht darin, die Gottesdienste musikalisch zu gestalten. Gelegentlich geben sie auch Konzerte. Jede Woche probt Werner Pees 15 Stunden mit den Sängerinnen und Sängern.
Auch anders- oder nichtgläubige Kinder und Jugendliche haben die Möglichkeit, in Werner Pees Chören mitzusingen. Für ihn selbst spielt der Glaube jedoch eine entscheidende Rolle im Beruf. Man könne kein Kirchenmusiker sein, "wenn man nicht etwas hinter dem Glauben sieht, wenn man nichts hinter der Botschaft vermutet und sucht", sagt Werner Pees.
Ich sehe mich auch als Glaubensvermittler.
Der Bamberger Dom | Bildquelle: wikimedia
Immer wieder vergibt der Bamberger Domkapellmeister auch Kompositionsaufträge an zeitgenössische Komponisten. Die Kirche müsse sich "in der Sprache der heutigen Zeit ausdrücken, um gehört und verstanden zu werden".
Die Kirche ist für Werner Pees ein guter Arbeitgeber. Er fühlt sich frei in seinen Entscheidungen. Nur eine Sorge treibt ihn um, wie alle, die in der musikalischen Erziehung arbeiten: Der Nachwuchs wird weniger. Die Konkurrenz durch andere Hobbys, auch Zeit- und Organisationsschwierigkeiten haben dazu geführt, dass heute nicht mehr so viele Kinder am Bamberger Dom singen wie noch vor 20 oder 30 Jahren.
Vergessen Sie Punk! – Wahrscheinlich provoziert kein Musiker hierzulande so sehr wie der Muezzin. Nicht absichtlich allerdings, sondern qua Profession. Er hat die Aufgabe, gläubige Muslime zum gemeinsamen Gebet in die Moschee zu rufen. Fünfmal am Tag. Lärmbelästigung schreien die einen, Islamisierung die anderen.
Benjamin Idriz ist Imam in der Moschee in Penzberg - und dort als Muezzin im Einsatz. | Bildquelle: © Tobias Stosiek
Benjamin Idriz ist seit über zwanzig Jahren Imam der muslimischen Gemeinde in Penzberg. Ein sanfter Mann, der seine Worte mit Bedacht wählt, und pragmatisch denkt. Auch in der Streitfrage, ob der Gebetsruf in Deutschland in der Öffentlichkeit erklingen sollte. Früher seien die Muezzins auf die Minarette gestiegen und hätten die Menschen zum Gebet eingeladen, sagt Idriz, und in manchen muslimischen Ländern sei dies immer noch Tradition. In Deutschland allerdings spiele sich das Rufen innerhalb des Hauses ab - so auch in Penzberg. Wenn "im Umfeld der Moschee keine Muslime wohnen, dann macht es keinen Sinn, Nicht-Muslime mit dem Gebetsruf zu stören", meint Idriz.
Die Musik kann uns nur helfen, den Text besser zu verstehen.
In muslimisch geprägten Ländern ist Muezzin ein Beruf. Hierzulande ist es ein Ehrenamt, das jeder in der Gemeinde übernehmen kann, der eine schöne Stimme hat und die arabische Gebetsformel richtig aussprechen kann. Während der Text des Muezzins seit 1400 Jahren festgelegt ist, haben sich über die Jahrhunderte in verschiedenen Regionen verschiedene Weisen entwickelt, ihn vorzutragen. So gibt es zum Beispiel türkische, asiatische und arabische Melodien.
Hier können Sie zwei Muezzin-Rufe von Benjamin Idriz hören: in einer türkischen und einer arabischen Melodie.
Marina Stepanova ist Chorleiterin in der russisch-orthodoxen Gemeinde der Heiligen Xenia in der Nürnberger Südstadt. Zwei bis drei Stunden dauert ein russisch-orthodoxer Gottesdienst. Dem Chor kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Denn der Chor steht für das Volk, das dem Priester antwortet. Das heißt für Marina Stepanova und ihre Chorsängerinnen zwei Stunden Höchstleistung.
Marina Stepanova | Bildquelle: © Christine Weirauch 200 Mitglieder hat die russisch-orthodoxe Gemeinde in Nürnberg. Die Gläubigen kommen von weit her, etwa aus Neumarkt in der Oberpfalz oder aus Bamberg. Die Kirche in der Nürnberger Südstadt ist ein ehemaliger Gemeindesaal, der sich in ein orthodoxes Kleinod verwandelt hat. Überall an den Wänden hängen die goldschimmernden Ikonen, Kerzen schmücken die kleinen Altäre. In der Mitte des Saals befindet sich der große Altarraum mit den Flügeltüren, durch die die Geistlichen hindurchtreten.
Marina Stepanova fand den Glauben durch die Musik. Alle wichtigen Stationen in ihrem Leben sind von der Musik geprägt. Zum Studium ging die junge Frau ins Orthodoxe Seminar nach Sankt Petersburg und lernte im Chor ihren zukünftigen Mann Petr kennen, der Theologie studierte. Heute ist ihr Mann der Erzpriester der Gemeinde und zusammen mit den drei erwachsenen Söhnen ist die Familie schon 15 Jahre in Deutschland.
(Sendungen: Allegro, 12., 13., 14. Juni um 06.05 Uhr; Piazza, 17. Juni um 08.05 Uhr auf BR-KLASSIK)