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Musizieren im Weltraum Schwebende Gitarren in der Raumstation

Sie hören ihre persönliche Playlist beim Essen oder verbringen ihre Freizeit am Keyboard: Für die Astronauten auf der ISS spielt Musik eine vitale Rolle. Aber das Musizieren im schwerelosen Raum ist gewöhnungsbedürftig.

ISS schwebt über die Erde | Bildquelle: © dpa | picture alliance / blickwinkel

Bildquelle: © dpa | picture alliance / blickwinkel

Kurz vor Weihnachten, am 16. Dezember 1965, drangen ungewohnte Klänge von der "Gemini 6A" zur Erde. Die beiden Astronauten Walter Schirra und Thomas Stafford überraschten das Bodenpersonal mit einer kosmischen Version des Klassikers "Jingle Bells" – und damit dem ersten Song aus dem Weltraum. Dafür hatte die Crew extra eine kleine Harmonika und eine Handvoll Glöckchen mit an Bord des Raumschiffes genommen.

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Gemini 6: Jingle Bells | Bildquelle: Bedford Brass Quintet (via YouTube)

Gemini 6: Jingle Bells

Saxophon mit Tücken

Bei Glöckchen sollte es nicht bleiben. Der Astronaut und leidenschaftliche Musiker Ronald McNair konnte die NASA 1984 davon überzeugen, sein Sopransaxophon mit an Bord des Space Shuttles "Challenger" zu nehmen. Schnell musste er allerdings feststellen, dass das Musizieren im schwerelosen Raum seine Tücken hat. Das Wasser, das sich normalerweise beim Spielen im Schallbecher sammelt, floss einfach in alle möglichen Richtungen. Und aufgrund der trockenen, komprimierten Luft auf der Raumfähre schlossen sich die Klappenpolster des Saxophons nicht richtig.

Musik im All - fünf Kuriose Fakten

- Astronaut Dr. Ron McNair wollte eigentlich sein Tenorsaxophon mit an Bord der Challenger nehmen. Das war jedoch zu groß für das Space Shuttle.

- Instrumente müssen aus Sicherheitsgründen einige Tage in "Quarantäne", bevor sie mit auf die ISS dürfen.

- Astronautin Ellen Ochoa befestigt ihre Füße vor dem Flöte spielen in Fußschlaufen, um beim Musizieren nicht durch die Raumkapsel zu schweben.

- Lange war es Tradition, die Astronauten im All mit Musik zu wecken, die Familie und Freunde für sie aussuchten.

- Als musikalische Grundausstattung sind einige Instrumente immer an Bord der ISS: eine E-Gitarre, ein Keyboard, ein Dudelsack, eine Akustikgitarre, eine Ukulele und eine Flöte.

Aber McNair gab nicht auf. Wieder auf der Erde, optimierte er sein Instrument für den nächsten geplanten Ausflug ins All zwei Jahre später. Tragischerweise sollte es nicht zu einem weiteren Saxophon-Konzert im Weltraum kommen. Am 28. Januar 1986 zerbrach die Challenger 73 Sekunden nach dem Start. Alle sieben Besatzungsmitglieder starben, darunter McNair.

Außerirdisches Duo

Die Erdkugel vom Weltraum aus gesehen | Bildquelle: © Wikimedia Commons Bildquelle: © Wikimedia Commons Seit dem Challenger-Unglück sind zahlreiche Astronauten in McNairs Fußstapfen getreten. NASA-Astronautin Catherine Coleman erinnert sich: "Als ich ausgewählt wurde, eine Zeit im Weltraum zu arbeiten und zu leben, war mein erster Gedanke: Wie bekomme ich meine Flöte an Bord?" Colemans Lieblingsplatz zum Musizieren ist die Kuppel in der Mitte der Raumstation. Flöte spielen, während vor den großen Panorama-Fenstern die Erdkugel vorbeizieht – ein magischer Moment.

Mit dem Flötisten Ian Anderson, Frontmann der Band Jethro Tull, kam Catherine Coleman auf einen verrückten Gedanken: ein "außerirdisches" Duett. Anderson spielte seinen Part auf der Erde, Coleman ihren zeitgleich auf der ISS. Hören konnten sich die beiden via Satellit.

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Ian Anderson + Cady Coleman flute duet in space | Bildquelle: Jethro Tull & Ian Anderson (via YouTube)

Ian Anderson + Cady Coleman flute duet in space

Die Schwerelosigkeit bleibt für Coleman eine Herausforderung beim Spielen. Denn der Luftstrom, der beim Hineinblasen in die Flöte entsteht, ist stark genug, um Coleman in der Raumstation umherschweben zu lassen.

Die Vorteile der Schwerelosigkeit

Der kanadische Space Station Commander und Gitarrist Chris Hadfield hat beim Spielen im All noch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen: "Auf der Erde nutzt man das Armgewicht beim Spielen. Ohne Schwerkraft fällt das Gewicht weg. Also tendieren die Finger dazu, bei schnellen Lagenwechseln zu weit zu greifen. Man muss seine Spieltechnik im All neu lernen." Aber die Schwerelosigkeit hat auch ihre Vorteile:

Man braucht keinen Gurt, die Gitarre schwebt einfach vor einem, das ist cool!
Astronaut Chris Hadfield

Hadfield hat in seiner Freizeit auf der ISS ein ganzes Album mit Gitarrensongs aufgenommen, darunter eine Version von David Bowies "Space Oddity".

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Space Oddity | Bildquelle: Rare Earth (via YouTube)

Space Oddity

Instrumente auf der ISS

In den vergangenen fünfzig Jahren sind zahlreiche Instrumente mit in den Weltraum gereist. Einige gehören sogar zum festen Inventar der Internationalen Raumstation ISS. Eine E-Gitarre, ein Keyboard, ein Dudelsack, eine Akustikgitarre, eine Ukulele und eine Flöte kreisen dauerhaft um die Erde. "Da fühlt sich die ISS gleich mehr wie ein Zuhause an, nicht nur wie eine Raumstation", meint Astronaut Carl Waltz.

SPACE NIGHT IN CONCERT II

Das Münchner Rundfunkorchester präsentierte am 2. Juli im Circus-Krone-Bau München eine multimediale Reise durch Raum und Zeit, zu spektakulären Bildern aus dem All. Das Konzert wurde live im Videostream übertragen und steht auf br-klassik.de/concert zum Ansehen zur Verfügung.

Gerade bei längeren Missionen im All ist Musik für die Crew essenziell. Denn monatelang isoliert auf wenig Raum zu leben, schlägt schnell auf die Psyche. Deswegen dürfen alle Astronauten der ISS eine persönliche Musik-Playlist mit an Bord nehmen. Das sorgt für gute Stimmung beim Arbeiten und hilft zu entspannen. Für Catherine Coleman ist die Flöte ihre Verbindung nach Hause zu Familie und Freunden. Wenn sie Heimweh hat, lässt sie auf dem Laptop Songs ihrer Band laufen und spielt dazu.

Sendung: "Leporello" am 02. Juli 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK:

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