Er gilt als Nobelpreis der Musik: der Ernst von Siemens Musikpreis. Dieses Jahr geht die Auszeichnung für ein "Leben im Dienste der Musik" an Christoph Eschenbach und wurde am 31. Mai im Münchner Herkulessaal überreicht. BR-KLASSIK übertrug den Festakt live via Videostream.
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Bescheiden und dankbar nahm Christoph Eschenbach die Auszeichnung entgegen. Auch wenn er nicht der herzliche Typ zu sein scheint, sah man ihm seine Rührung an. In seiner Dankesrede brachte er zum Ausdruck, wie ernst es ihm mit der Musik sei, vor allem mit der Neuen Musik. Die Auszeichnungen des Abends zeigten:
... dass das Ohr, das Auge, der Sinn offen ist für Neue Musik.
Die erste Hälfte des Abends stand ganz im Zeichen der drei jungen Komponisten, die von der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung gefördert werden: Mark Barden, Birke Jasmin Bertelsmeier und Christian Mason, die dem Publikum jeweils in einem kunstvoll gestalteten Filmporträt vorgestellt wurden. Im Anschluss gab es dann auch Werke der Nachwuchskomponisten zu hören, gespielt von den Bamberger Symphonikern. Am Pult stand Christoph Eschenbach.
Wie Peter Ruzicka in seiner Laudatio hervorhebt, habe Eschenbach trotz seiner Erfolge als Pianist nicht den Weg des Spezialistentums eingeschlagen, sondern sei offen geblieben. So spielte er auch Geige und begann zu dirigieren. Er bekommt den Siemens-Musikpreis demnach nicht nur, weil er viel für die Neue Musik und für Nachwuchskünstler getan habe.
"Er hat seine eminente Musikalität als Pianist sozusagen transportiert auf das Metier des Orchesterdirigierens. Er hat das Singen, das er am Klavier so meisterlich beherrscht hat, auf das Orchester transponiert und erreicht da ganz unvergleichliche Ausdrucksmomente, das war auch heute Abend wieder zu spüren. Er ist einfach ein Musiker, der Musik als eine ganzheitliche Projektion empfunden hat." (Peter Ruzicka)
Und den Beweis seiner Musikalität trat Christoph Eschenbach zum Abschluss des Abends an. Er dirigierte die Bamberger Symphoniker mit Béla Bartóks Konzert für Orchester. Ein musikalischer Dank an die Stiftung und an das Publikum.
Für die Ernst von Siemens Musikstiftung wirkt Christoph Eschenbach als Dirigent ebensoso überzeugend wie als Pianist. Weiter erläuterte die Stiftung im Vorfeld der Preisverleihung, er sei eine künstlerische Ausnahmeerscheinung und ziehe nicht nur vom Dirigentenpult herab immer wieder aufs Neue Orchester, Solisten und Publikum in seinen Bann.
... sein "Lebenswerk"
"Ich hoffe, dass das Wort 'Lebenswerk' nicht bedeutet, dass das Lebenswerk jetzt abgeschlossen ist. Es geht einfach weiter. Es ist eine Etappe in einem höheren Lebensalter, die gewürdigt wird und das finde ich sehr sehr berührend."
... die Förderung von zeitgenössischer Musik
"Das soll auch ein Beispiel sein für alle Veranstalter, die sich oft Neuer Musik sperren. Wenn aber der Siemens-Musikpreis die Anstrengung macht, jedes Jahr jungen Komponisten einen Preis zu verleihen, dann soll das als Beispiel stehen. Auch mich hat es gefreut, dass das so ist."
... Stücke von Christian Mason und Birke Bertelsmeier, die Christoph Eschenbach am Abend der Preisverleihung dirigieren wird
"Es ist eine Musiksprache, die vielleicht nicht so neu ist, aber im Fall von Christian Mason sehr dramatisch ist und sehr sehr gut geschrieben, sehr gut farbvoll und durchsichtig gleichzeitig ist - und im Falle Bertelsmeier auch."
Eschenbachs Repertoire reicht von Barock bis zu zeitgenössischen Werken, sein Antrieb ist die frühe Begegnung mit dem Tod und die Musik seine Ausdrucksform. Christoph Eschenbach wurde am 20. Februar 1940 als Sohn des Breslauer Musikwissenschaftlers Heribert Ringmann in Breslau geboren. Seine Mutter starb bei der Geburt. Als Gegner Hitlers wurde sein Vater von der Universität Breslau geworfen und kam an der Kriegsfront in einem Strafbataillon um. Seine Großmutter kümmerte sich um ihn, starb aber kurze Zeit später an Typhus. Eschenbach erkrankte ebenfalls, überlebte nur knapp. All diese Schicksalsschläge ließen ihn verstummen. Als Rettung empfand er seine Adoption durch Wallydore Eschenbach, eine Cousine der leiblichen Mutter. Wallydore, die Sängerin und Pianistin war, vermittelte Eschenbach den Kontakt zur Musik. Diese habe seinem Leben den Sinn zurückgegeben, sagt Eschenbach.
Ich bin deshalb dankbar, ganz in ihrem Dienst zu stehen.
1951 beginnt Christoph Eschenbach sein Klavierstudium bei Eliza Hansen in Hamburg, es folgen die Ausbildung an der Musikhochschule Köln und ein Dirigierstudium bei Wilhelm Brückner-Rüggeberg in Hamburg. 1962 gewinnt er den ARD-Musikwettbewerb, zahlreiche Preise folgen.
"Allen Preisträgern ist dieser Wettbewerb zum Ausgangspunkt ihrer Karriere geworden, und jeder wird sich an die Qualität der Jurys, die Einigkeit der deutschen Rundfunkanstalten und an eine aufregende und inspirierende Zeit in München erinnern. Er ist nach wie vor einer der ‚musikalischsten’ und facettenreichsten Wettbewerbe überhaupt." Christoph Eschenbach über den ARD-Musikwettbewerb
Von George Szell und Herbert von Karajan gefördert, wird Eschenbach Chefdirigent des Züricher Tonhalle-Orchesters. Danach leitet er das NDR Sinfonieorchester in Hamburg und das Orchestre de Paris, wirkt als musikalischer Direktor der Houston Symphony und Künstlerischer Leiter des Schleswig-Holstein Musik Festivals; Gastdirigate führen ihn in alle Welt. Seit 2010 hat er einen der attraktivsten Doppelposten, die Amerika zu bieten hat: die Leitung des John F. Kennedy Center for the Performing Arts sowie des National Symphony Orchestra in Washington. Besonders am Herzen liegt Christoph Eschenbach aber die Weitergabe seiner Erfahrung, und so gibt er auch Meisterkurse und leitet Orchesterakademien.
Seit 1973 wird der Ernst von Siemens Musikpreis von der Ernst von Siemens Musikstiftung, die 2013 ihr 40-jähriges Jubiläum feierte, jährlich vergeben. Bisherige Preisträger waren unter anderem Benjamin Britten, Herbert von Karajan, Dietrich Fischer Dieskau, Leonard Bernstein, Claudio Abbado, Henri Dutilleux und Anne-Sophie Mutter.