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Komponist Manfred Trojahn zum 70. Geburtstag Weg vom Dogma, hin zum Ausdruck

Er ist einer der profiliertesten Komponisten seiner Generation: Manfred Trojahn. Jahrzehntelang hat er an der Musikhochschule in Düsseldorf unterrichtet, er steht immer wieder als Dirigent auf der Bühne und inzwischen, als emeritierter Professor, nutzt er seine Zeit ganz fürs Komponieren. Seine Werkliste umfasst fünf Symphonien, Solowerke und viele Stücke für Stimme. Der Schwerpunkt: Oper. Am 22. Oktober wird Manfred Trojahn 70 Jahre alt.

Bildquelle: picture alliance/APA/picturedesk.com

Das Porträt zum Anhören

Manfred Trojahn macht sich keine Illusionen. Das war noch nie seine Art. Nüchtern und pragmatisch – so widmet er sich seit mehr als 40 Jahren auch dem Komponieren. "Ich habe mich natürlich auf traditionelle Musik bezogen, denn traditionelle Musik war sozusagen die ganze Zeit um mich", beschreibt Trojahn seinen Kompositionsansatz. "Und ich habe dagegen argumentiert, dass die Neue Musik gesagt hat, die Tradition ist tot, die kann uns nicht mehr interessieren. Außerdem habe ich die Auffassung vertreten, dass ich eine Sache, mit der ich ununterbrochen leben muss, weil ich sie jeden Tag höre, nicht einfach aus meinem Leben ausblenden kann. Also wird sie sich auch auf das künstlerische Produkt niederschlagen."

Neue musikalische Ausdrucksqualität

1974, noch als Student, vollendet Manfred Trojahn seine erste Symphonie – was Avantgardekreise damals als völlig vorgestrig abtun. Ihm ist es egal. Manfred Trojahn kommt aus der norddeutschen Provinz und als er mit Anfang zwanzig an der Musikhochschule in Hamburg anfängt, kümmert er sich nicht um den Ballast von Regeln und Vorschriften, der an der Neuen Musik klebt. Stattdessen: Reduzierte Musik, weg vom Dogma der sogenannten seriellen Musik, in der alles streng festgelegt ist: Tonhöhe, Tondauer, Laustärke. Weg vom Fokus aufs musikalische Material, hin zu einer neuen musikalischen Ausdrucksqualität. Verständlich durfte die Musik, ja, sollte sie sein. Die Forschung nennt diese Strömung später etwas verkürzt "Neue Einfachheit".

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Manfred Trojahn (*1949): Symphony no. 1 "Macramé" (1973-1974) | Bildquelle: Thorsten Gubatz (via YouTube)

Manfred Trojahn (*1949): Symphony no. 1 "Macramé" (1973-1974)

Professor in Düsseldorf

Manfred Trojahn lebt nach dem Studium als freier Komponist, hangelt sich mit Fördergeldern durch. Eine Freiheit, die er genießt, wie er Ende der 70er Jahre in einem Interview erzählt: "Zurzeit lebe ich von Stipendien. Ich werde im August für ein Jahr nach Paris ziehen, danach ein weiteres Jahr nach Rom in die Villa Massimo. Wie es danach mit der Freiheit aussieht, bleibt abzuwarten." Mit der Ungebundenheit jedenfalls ist es spätestens 1991 vorbei. Da wird Manfred Trojahn Professor an der Düsseldorfer Musikhochschule. 26 Jahre lang bis zu seiner Emeritierung begleitet er junge Leute auf ihrem Weg als Komponierende.

Letzten Endes schreiben wir alle nur Eintagsfliegen.
Manfred Trojahn

Arrangement mit dem Nischendasein

Sein großes Anliegen: die Neue Musik ins Verständliche holen, am besten ins Symphoniekonzert, wo eine breitere Masse sie hört. Aber Manfred Trojahn ist pragmatisch und nüchtern –jedenfalls pragmatisch und nüchtern genug, um sich mit dem Nischendasein der zeitgenössischen Musik wenn nicht abzufinden, so doch zumindest zu arrangieren. "Es ist natürlich so, dass die meiste Neue Musik für den Tag geschrieben wird und danach weg ist", sagt der Komponist. "Das war eigentlich immer so. Also Mozarts Stücke sind damals nicht oft wiederaufgeführt worden. Letzten Endes schreiben wir alle nur Eintagsfliegen. Und letzten Endes sind wir alle im Musikleben marginalisiert: Der Bereich der Neuen Musik ist wirklich relativ klein und relativ spezialisiert und er mischt sich immer weniger."

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Gezeiten-TV | Im Gespräch mit Manfred Trojahn | Bildquelle: Gezeitenkonzerte (via YouTube)

Gezeiten-TV | Im Gespräch mit Manfred Trojahn

Endlose Briefszene?

Dabei gehört das Theatertier Trojahn zu den ganz wenigen lebenden Komponisten, deren Werke immer wieder aufgeführt und inszeniert werden. "Enrico", seine erste Oper, sogar gleich zwölfmal. Und im kommenden Jahr steht die Uraufführung der "vermutlich längsten Briefszene der Operngeschichte" an. So jedenfalls nennt der Komponist das Bühnenwerk für Bariton, Streichquartett und Orchester, das er im Auftrag der Oper Bonn zu Beethovens 250. Geburtstag geschrieben hat. Folgeaufführungen sind jetzt schon geplant, nach der Uraufführung in Bonn reist das Stück ans Theater an der Wien. Eintagsfliegen? Nicht Trojahns Stil.

Sendung: Allegro am 22. Oktober 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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