Eine schwarze Kutsche hält vor der Wiener Hofburg. Da ist er, das muss er sein: der Mörder, der Mädchen-Verführer, der Hexenmeister, der Satansspross! Die Gerüchte über den italienischen Geiger haben ganz Wien in Aufruhr versetzt. Es ist das erste Konzert, das Niccolò Paganini auf ausländischem Boden gibt.
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Unruhig rutscht das Publikum im Redoutensaal auf seinen Stühlen herum. Die ganze Künstler-Prominenz von Wien ist gekommen: Franz Schubert, Johann Strauß, Franz Grillparzer. Als Paganini die Bühne betritt, hält das Publikum den Atem an. Im fahlen Schein der Petroleumlampe, die sein ausgemergeltes Gesicht beleuchtet, sieht Paganini aus wie ein Gespenst.
Er lässt den Bogen auf die Saiten prasseln, verbiegt seinen dürren Körper wie ein Stück Draht und schlägt in ungelenken Bewegungen mit dem Fuß den Takt zur Musik. Sein Spiel überrascht, schockiert, berauscht, ergreift und verzaubert. Kein Wunder, dass das Gerücht umgeht, Paganini hätte seine Seele dem Teufel verkauft.
In Paganinis Adagio hörte ich einen Engel singen.
Am nächsten Tag ist Wien wie verwandelt: In den Schaufenstern werden Handschuhe und Teigwaren à la Paganini verkauft, Spazierstöcke tragen sein Konterfei. Eine Massenhysterie breitet sich aus. Jeder will Paganini spielen hören. Auch Schubert schleppt seinen Freund Eduard von Bauernfeld in eines der nächsten Konzerte - obwohl die Eintrittspreise inzwischen auf stolze fünf Gulden gestiegen sind.
Ich sage dir, so ein Kerl kommt nicht wieder!
Und Bauernfeld ist nicht weniger beeindruckt: "Wir hörten den infernalisch-himmlischen Geiger und waren nicht minder entzückt von seinem wunderbaren Adagio, als höchlich erstaunt über seine sonstigen Teufelskünste, und nicht wenig humoristisch erbaut durch die unglaublichen Kratzfüße der dämonischen Gestalt, die einer an Drähten gezogenen, mageren, schwarzen Puppe glich." Mehr als 20.000 Gulden nimmt Paganini in den ersten acht Konzerten ein. Dann verlässt er Wien, die Taschen voller Geld, um ganz Europa zu erobern.
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