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Playlist – Musik und Pandemie Komponieren in Zeiten von Pest und Cholera

Für die meisten von uns ist die aktuelle Corona-Pandemie der erste Seuchenausbruch, den wir miterleben. Blickt man in die Vergangenheit, wird schnell klar, dass in früheren Epochen Seuchen deutlich häufiger wüteten, manche Menschen sogar mehrere Ausbrüche durchmachen mussten. BR-KLASSIK stellt Musiker und Dichter vor, die an der Pest starben, und zeigt, wie überlebende Künstler diese Extremsituationen verarbeitet haben.

Der Tod zum Kribepfeifer aus dem Zizenhausener Totentanz | Bildquelle: picture alliance/akg-images

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Johann Heinrich Schmelzer: "La Margarita"

Johann Heinrich Schmelzers Karriere war beeindruckend: Als Geiger hatte er sich über seine Heimat Österreich hinaus einen Ruf gemacht. "Der berühmte und fast vornemste Violist in ganz Europa" – so beschreibt ihn J. J. Müller in seinem "Reise-Diarium" von 1660. Auch als Komponist war Schmelzer überaus erfolgreich: Seine Werke wurden bei zahlreichen Festen am Wiener Hof gespielt. 1679 schließlich wurde er zum Hofkapellmeister ernannt. Als Kaiser Leopold I. im selben Jahr mit seinem Hofstaat vor der Pest von Wien nach Prag floh, war Schmelzer mit dabei – und leider auch das Pest-Virus, an dem Schmelzer 1680 starb.

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J.H. Schmelzer: La Margarita - Music for the Court of Vienna&Prague [Armonico Tributo Austria] | Bildquelle: Dramma per musica (via YouTube)

J.H. Schmelzer: La Margarita - Music for the Court of Vienna&Prague [Armonico Tributo Austria]

Giovanni Pierluigi da Palestrina: "Gia fu chi m'ebbe cara e volentieri"

Giovanni Pierluigi da Palestrina vertonte einen Text aus Giovanni Boccaccios "Il Decamerone" in einem Ersten Madrigalbuch. Boccaccio hatte die schlimme Pest-Epidemie, die ab 1347 Europa heimsuchte, überlebt. Daraufhin verfasste er eine Novellensammlung, in der zehn junge Adlige aus der Stadt aufs Land fliehen und sich zum Zeitvertreib Geschichten erzählen. "Social Distancing" im 14. Jahrhundert.

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Madrigals, Book 1 (Il primo libro di madrigali) : Gia fu chi m'ebbe cara e volentieri | Bildquelle: Rinaldo Alessandrini - Topic (via YouTube)

Madrigals, Book 1 (Il primo libro di madrigali) : Gia fu chi m'ebbe cara e volentieri

"O Deathe, Rock Me A-Sleepe" aus dem Anne Boleyn Songbook

In England gab es ab dem 15. Jahrhundert eine bis heute rätselhafte Krankheit, bei der die Kranken sehr plötzlich stark zu schwitzen begannen. Der deutsche Mediziner Justus Hecker schrieb in seiner Forschungsarbeit, sie "kündigte sich durch keine Vorboten an, und zwischen Wohlsein und Tod lag nur eine kurze Frist von fünf oder sechs Stunden". Anne Boleyn, die zweite Ehefrau Heinrichs VIII., war sehr wahrscheinlich erkrankt, überlebte die Infektion aber. Sie hinterließ ein Songbook, in dem unterschiedliche Werke ihrer Zeit gesammelt sind.

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O Deathe, Rock Me A-Sleepe [Anne Boleyn Songbook: Royal College of Music, MS 1070] | Bildquelle: Clare Wilkinson - Topic (via YouTube)

O Deathe, Rock Me A-Sleepe [Anne Boleyn Songbook: Royal College of Music, MS 1070]

Guillaume Dufay: "O sancte Sebastiane"

Den Heiligen Sebastian erkennt man recht leicht auf Bildern; er wird stets mit vielen Pfeilen abgebildet, die seinen Körper durchbohren. Wegen seines christlichen Glaubens war er zum Tod verurteilt worden und sollte von Bogenschützen erschossen werden. Er überlebte diesen Tötungsversuch allerdings, woraufhin er schließlich erschlagen wurde. Christen beten zu ihm, wenn sie um das Ende eines Pestausbruchs bitten. Er soll aber auch bei anderen Seuchen helfen – der Cholera beispielsweise. Etliche Komponisten schrieben Motetten, die den Heiligen Sebastian anrufen, darunter Guillaume Dufay.

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Guillaume Dufay - O sancte Sebastiane [Isorhythmic motet] | Bildquelle: Pour ceux que le langage a désertés (via YouTube)

Guillaume Dufay - O sancte Sebastiane [Isorhythmic motet]

Sendung: "Forum Alte Musik" am 14. November 2020 ab 22:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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