Ein Schauspieler erzählt die alte Sage vom Ritter Peter und der Königstochter Magelone. Zwischendurch erklingen Lieder zu Klavierbegleitung und berichten als Stimmungsbilder vom Auf und Ab der Gefühle. Brigitte Fassbaender konnte in diesem Zyklus ihrer Virtuosität freien Lauf lassen. Julika Jahnke hat sie erzählt, warum dieses starke Stück für sie so besonders ist.
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Das starke Stück
Johannes Brahms - Die Schöne Magelone op. 33
Brigitte Fassbaender hat sich in ihrem Leben immer einen Liederzyklus nach dem anderen erarbeitet. "Die schöne Magelone" von Johannes Brahms kam da erst spät an die Reihe, denn er gehört für sie zu den ganz schweren Werken. Aber auch zu den unvergesslichen.
"Ich habe die Schöne Magelone relativ oft gesungen und (...) immer selber rezitiert: Ich habe den Sprechtext selbst interpretiert und dazu dann die Lieder. Das war natürlich ein sehr anstrengendes, aber schönes Unternehmen, was mich sehr glücklich gemacht hat." (Brigitte Fassbaender)
Brigitte Fassbaender | Bildquelle: Rupert Larl "Die schöne Magelone" – das ist eigentlich eine alte provenzalische Liebesgeschichte, aus dem 15. Jahrhundert. Sie handelt vom Grafen Peter und der neapolitanischen Königstochter Magelone: Sie verlieben sich ineinander, doch Magelone ist schon einem anderen versprochen. Daher fliehen sie gemeinsam, doch Peter gerät in türkische Sklaverei. Der romantische Dichter Ludwig Tieck "modernisierte" diese Geschichte zwei Jahrhunderte später und veröffentlichte sie in seinen Volksmärchen. Diese Fassung verwendete dann Johannes Brahms als Grundlage für seinen einzigen Liederzyklus. Er vertonte sie aber nicht in einfachen Strophenliedern. Er schuf vielmehr Romanzen, die als lyrische Stimmungsbilder fungieren: Sie bringen uns den Gefühlszustand der Charaktere ganz nahe. Das Klavier hat dabei eine sehr eingeständige Rolle. Brigitte Fassbaender betrachtet es als großes Glück, den Zyklus mit der befreundeten Pianistin Lisa Leonskaja aufgenommen zu haben.
"Und das war unter anderem auch der letzte Liederabend meines Lebens, den ich gegeben habe, mit der Schönen Magelone. Das ist natürlich unvergesslich für mich." Brigitte Fassbaender
Brigitte Fassbaender hatte dabei den Ehrgeiz, nicht nur zu singen: Sie rezitiert auch die Sprechertexte selbst, die mit dem Gesang abwechseln. Brahms hatte diese Texte nachträglich eingefügt, um die Liedinhalte verständlicher zu machen. Denn ihm war bewusst geworden, dass seine musikalischen Stimmungsbilder erst dann verständlich werden, wenn sie auch in die jeweilige Situation der Handlung eingebettet sind.
Für Peter und Magelone geht es in der Geschichte, auch emotional gesehen, ständig auf und ab. Brahms unterstreicht das durch eine große Bandbreite von Gestaltungsmitteln: Vom Wiegenlied über die Rhapsodie bis hin zum Choral lässt er vielerlei Genre anklingen.
"Es gibt einige sehr dramatische Lieder, aber es gibt genauso soviel romantische und melancholische, weiche, schwingende Melodiebögen zu erfüllen. Es ist typischer Brahms, es ist wirklich ein Kernwerk bei Brahms würde ich denken. Ich hab es sehr geliebt und sehr gerne gemacht." (Brigitte Fassbaender)
Drei Lieder des Zyklus hat Brigitte Fassbaender besonders gern gesungen. Sie sind jeweils ganz unterschiedlich in der Stimmung und den Klangfarben. Als erstes nennt sie "Ruhe, süß Liebchen". Peter hat Magelone unter einem Baum seinen Mantel ausgebreitet, damit sie schlafen kann. Beide sind gerade zusammen geflohen und die Nacht hindurch geritten. Ein Lied, das den sängerischen Ausdruckmöglichkeiten Raum gibt.
"Weil ich die Erfindung der Melodie so bezaubernd finde und weil man das so wunderbar gestalten kann, vom sprachlichen Duktus her auch. (...) Das hat ja auch zwei Teile, es fängt so ruhig an und dann geht’s dramatisch weiter. " (Brigitte Fassbaender)
Textdichter Ludwig Tieck | Bildquelle: picture-alliance/dpa Ebenso wie Ludwig Tieck in seiner Erzählung versucht auch Brahms, den mittelalterlichen Stoff ganz modern zu deuten. Seine Musik ist überschwänglich romantisch, sein Klaviersatz für die Zeit ungewohnt orchestral, er spielt mit vielerlei Gestaltungsmitteln. So fasziniert Brigitte Fassbaender, mit welch spannenden Rhythmen er arbeitet, etwa im Lied "Geliebter, wo zaudert". Peter lässt sich in einem Boot auf dem Wasser treiben, ist hin und her gerissen, die schöne Sultanstochter Sulima versucht, ihn zu verführen. Wie unruhig er umher irrt, davon weiß das Klavier zu erzählen.
Im Zyklus "Die schöne Magelone" ergänzen sich somit Literatur und Musik perfekt: Auf die Sprechertexte konnte Brahms nicht verzichten, denn seine Lieder werden erst durch sie verständlich. Die Musik wiederum bringt die Gefühlswelten zum Ausdruck, von denen in der Erzählung lediglich berichtet werden kann. Ganz besonders geliebt hat Brigitte Fassbaender auch immer schon das Schlusslied "Treue Liebe dauert lange" – für sie ein großer kompositorischer Wurf und ein gebührender Ausklang für dieses durch und durch dramatische Abenteuer.
"Die Geschichte vom Grafen Peter und der schönen Magelone, das ist ja teilweise eine sehr tragische Geschichte, die ja gottseidank in einem schönen Happy-End endet." (Brigitte Fassbaender)
Peter findet – nach langer Schiffsfahrt – seine Magelone wieder. Sie heiraten und singen zum Gedenken jedes Jahr dasselbe Lied an der Stelle, an der sie sich wiederfanden. Für Brigitte Fassbaender ist es ganz besonders ergreifend:
"Weil das Ende so berührend ist. Das ist (...) ein ganz besonders schöner Abschluss eines Zyklus, diese Musik, die Brahms da erfunden hat für den Schluss, sehr rührend. Es ist überhaupt ein Zyklus, der sehr viele rührende Momente hat." (Brigitte Fassbaender)
Johannes Brahms : "Die schöne Magelone"
Brigitte Fassbaender, Gesang
Elisabeth Leonskaja, Klavier
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