Johannes Brahms spielte gerne Walzer am Klavier und ließ sich dazu immer wieder neu inspirieren – vor allem, wenn er wieder einmal in Wien war, in der großen Walzermetropole. Und man sagt, rein aus dieser Lust am beschwingten Musizieren heraus, hätte Brahms auch seine "Liebesliederwalzer" geschrieben. Die Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender hat sie immer wieder mit Begeisterung gesungen. Julika Jahnke hat sie erzählt, aus welchem Grund.
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Das starke Stück
Johannes Brahms - Liebesliederwalzer op. 52
Im Jahr 1870 wurden die "Liebesliederwalzer" zum ersten Mal dem Publikum vorgestellt – in Wien, also dort, wo sich Brahms bald endgültig niederlassen sollte. Er selbst und seine enge Freundin Clara Schumann saßen bei der Uraufführung dieser 18 kurzen Lieder am Klavier – und begleiteten vier Solisten. Clara Schumann schrieb darüber in ihr Tagebuch:
"Es war überfüllt, auf dem Orchesterpodium so, dass ich nie wusste, wie ich an’s Klavier kommen sollte. Ich spielte sehr glücklich, das Publicum war in wahrem Enthusiasmus. Die Liebeslieder - Johannes spielte sie mit mir vierhändig- gingen reizend und gefielen sehr."
Die Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Eins der Lieder, das Brigitte Fassbaender besonders gefällt, ist "O wie sanft die Quelle". Wie sich der Bach hier durch die Wiese windet, erinnert an die Lieder Franz Schuberts. Brahms schrieb die Liebesliederwalzer ganz bewusst für vier Gesangssolisten. Er war damals noch strikt dagegen, dass Chöre sie aufführten. Doch später hat er seine Meinung geändert. Denn er lobte einmal eine Chor-Aufführung der Liebeslieder als "musterhaft". Ob es nun wenige oder viele Sänger sind, die mitwirken: Die kurzen Lieder haben in jedem Fall ihre Tücken, wie auch Brigitte Fassbaender erfahren hat.
"Man muss sich sehr konzentrieren. Da sind ein paar Sachen dabei, die sind so schwierig, dass man da nicht in die falsche Weiche kommt, mit den vielen Wiederholungen, das war immer etwas prekär. Aber es hat immer eine große Freude gemacht, diese herrliche Musik aufzuführen. Und ich erinnere mich an viele Konzerte, wo ich das Glück hatte, mit wunderbaren Kollegen das zu singen." (Brigitte Fassbaender)
Brahms zeigt hier wieder einmal seine große Vielseitigkeit, wenn es darum geht, Gefühlsregungen in Musik auszudrücken. Vertont hat er hier Nachdichtungen von Volksliedern, die meisten von ihnen aus Osteuropa. Sie stammen aus der Sammlung "Polydora" von Georg Friedrich Daumer. Daraus schafft Brahms hier sehr kurze Miniaturen, die jeweils nur ein bis zwei Minuten dauern. Sie ergeben ein buntes Kaleidoskop menschlicher Regungen, wie Liebe, Sehnsucht, Wut oder auch Spott. Das Lied Nr. 11 "Nein, es ist nicht auszukommen" hat einen ganz eigenen Witz. Hier meint man das giftige Gerede und Lästern der Leute direkt zu hören.
"Es war natürlich perfekte Hausmusik, damals war das Liedgeschehen vor allem als Hausmusik im intimen Kreis zu verstehen, und da war so viel Sangesfreude und Musizierfreude in Wien, dass er da für irgendeinen Salon das in Angriff genommen hat, sich da zu etablieren." (Brigitte Fassbaender)
Prompt kamen die Lieder so gut an, dass Brahms wenige Jahre später eine weitere Liebesliedersammlung folgen ließ.
Kniffelig ist die Arbeit an den Liedern nicht nur wegen ihres Tempos und den raffinierten Rhythmen. Sondern auch, weil die Solostimmen abwechselnd führen. Meistens dominieren Sopran und Tenor, wie in "Ein dunkeler Schacht ist die Liebe". Bariton und Mezzosopran müssen sich unterordnen. Doch auch die dürfen ab und zu hervortreten und ins musikalische Geschehen eingreifen.
Johannes Brahms: Liebesliederwalzer, op. 52
Edith Mathis, Sopran
Brigitte Fassbaender, Alt
Peter Schreier, Tenor
Dietrich Fischer-Dieskau, Bariton
Karl Engel, Klavier
Wolfgang Sawallisch, Klavier
Deutsche Grammophon