Innerhalb der Streichquartette sind sie einmalig: "Die Zypressen". Zum einen vertonte der Komponist 18 Gedichte eines tschechischen Dichters. Zum anderen hat Antonín Dvořák über 22 Jahre immer wieder an ihnen getüftelt.
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Das starke Stück
Dvorák - Die Zypressen
Es soll ja Menschen geben, die Streichquartette anstrengend finden. Das kann verschiedene Gründe haben. Zum Beispiel: man erinnert sich an eigene klägliche Hausmusikversuche. Oder es fehlte bislang das so genannte Schlüsselerlebnis, vielleicht eine Melodie, die sich nachsummen lässt. Innerhalb der Quartette von Antonín Dvořák findet sich ein solches "Einsteigermodell" in diese höchste Disziplin der Kammermusik: "Die Zypressen".
"Die Zypressen" sind so etwas wie Lieder ohne Worte. Die ersten Fassungen schrieb Dvořák noch für Klavier, erst die Endfassung widmete er dem Streichquartett. Letztendlich blieben von den 18 Gedichten noch 12 übrig.
"Die Zypressen" bestechen durch ihre mitunter lieblichen sogar süßlichen Melodien, die garantiert nicht den Anspruch der absoluten Musik für sich erheben wollen. Denn: Bei diesen Liedern ohne Worte handelt es sich um ein Porträt der Jugendliebe des Komponisten.
Dvořák vertonte darin eben nicht nur irgendwelche Gedichte, sondern einen Teil seiner Lebensgeschichte, seiner Lebenserfahrung: die unschuldige, zärtliche Liebe zur Sängerin Josefine Tschermaak. Vielleicht findet sich in der Musik sogar der eine oder andere Traum von einem übermütigen Tête-à-tête.
Weil uns hier das musikalische Porträt einer jungen, vermutlich auch noch hübschen Frau vorliegt, ergibt sich auch ein völlig anderes Klangerlebnis als beim herkömmlichen Streichquartett. Der Komponist verzichtet auf beinahe sämtliche Gesetzmäßigkeiten, die für gewöhnlich beim Streichquartett gelten. Keine Kombination aus Hauptthema, zweitem Thema, Durchführung, Reprise, Coda, Stretta. "Die Zypressen" sind lyrische, bildhafte Musik.
Antonín Dvořák - Die Zypressen, 12 kurze Sätze für Streichquartett, o.op., B 152
Hagen Quartett
Label: Deutsche Grammophon