Als Sergej Prokofjew aus dem Exil in die Sowjetunion zurückkehrte, hatte er im Gepäck die Skizzen zu einem Konzert für Violoncello und Orchester. Wiebke Matyschok sprach mit Alban Gerhardt über dieses Starke Stück.
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Das starke Stück
Prokofjew - Cellokonzert, op. 58
Der berühmte Impresario Sergej Diaghilew und der Komponist Sergej Prokofjew verabredeten in einem Pariser Café ein neues Werk. Der stählerne Schritt. Ein Ballett über das Leben in der neuen Sowjetunion. Eine Verherrlichung der Fabrik-Arbeit. Menschen an Maschinen. Tanzende Mensch-Maschinen. Das Ballett ruft im Westen Begeisterungsstürme hervor, aber auch Empörung. Prokofiew selbst war begeistert: "Ich traute meinen Ohren nicht. Für mich war es wie ein Fenster, durch das frische Luft hineinkam". Als er 1936 in die Sowjetunion zurückkehrt, hatte er die Basis für sein Cellokonzert schon gelegt.
Prokofjew holte seine angefertigten Skizzen für das Cellokonzert aber erst raus, als ihn der Cellist Gregor Piatigorsky bat für ihn ein Konzert zu schreiben. Prokofiew war von dem Gedanken angetan: "Ich habe bereits einen Plan und Themen für eine Fantasie für Cello und Orchester. Wenn Piatigorsky das Geld aufbringen könnte, würde ich es tun." Als es soweit war, begann er sofort mit der Arbeit, doch bald lagen die Skizzen in der Schublade. Erst 1938 in Russland vollendete er das Stück. Die erste Aufführung des Konzertes Opus 58 in Moskau wurde jedoch ein Misserfolg. Dirigent und Solist zeigten sich überfordert und dem Komponisten wurde vorgeworfen, seine Musik sei "seelenlos".
Alban Gerhardt | Bildquelle: Sim Canetty-Clarke / Hyperion Records Das Cellokonzert besteht aus drei Sätzen, die ineinander übergehen. Mehr eine Symphonie mit obligatem Cello denn ein Bravourstück für einen Virtuosen. Ein seltsam unentschiedenes Werk. Die Musik eines Komponisten, der auf der Suche ist. Bei einem Treffen mit Mstislaw Rostropowitsch spielte ihm dieser das Konzert mit Klavierbegleitung vor. Prokofjew teilte ihm daraufhin mit, dass er beschlossen hatte es umzuschreiben. "Es ist wahnsinnig polyphon", sagt der Cellist Alban Gerhardt über das Werk. "Prokofjew war ja ein toller Pianist, der fantastische Musik geschrieben hat für das Cello, ohne sich darum zu kümmern, ob das jetzt machbar oder weniger machbar ist."
Der Cellist besuchte den Komponisten im Sommer 1948 auf seiner Datscha bei Moskau. Das Konzert, Opus 58 wurde in das Symphonische Konzert für Violoncello und Orchester, op. 125 verwandelt und 1952 uraufgeführt. Prokofiew aber, schon lange gesundheitlich angeschlagen, war nicht anwesend. Er starb ein Jahr später, am selben Tag wie Stalin. Sein Tod steht im Schatten des Diktators. Da scheint das Cellokonzert längst hinter der Cello-Symphonie verschwunden zu sein.
Prokofjews Rückkehr in ein Land, in dem Stalin auf dem Höhepunkt der Macht war, stieß auf Unverständnis und machte auch dem Komponisten bald das Leben schwer. "Ich für meinen Teil interessiere mich nicht für Politik", behauptete Prokofjew später. Er ließ alle Experimente seiner früheren Jahre hinter sich, schrieb nun in einem vereinfachten Stil und gelegentlich Werke nach dem Geschmack der Herrschenden. Zum Beispiel eine Kantate mit Texten von Lenin und Filmmusik.
Sergej Prokofjew: Cellokonzert e-Moll., op. 58
Alban Gerhardt (Violoncello)
Bergen Philharmonic Orchestra
Leitung: Andrew Litton
Label: Hyperion