Bei der 4. Symphonie von Robert Schumann liegt ein besonderer Fall vor. Nicht nur existiert sie in zwei verschiedenen Fassungen, auch wurde sie nach dessen Tod immer wieder neu gelesen und interpretiert, wodurch es schwierig ist, die ursprüngliche Intention Schumanns zu erkennen. Elgin Heuerding hat sich mit dem Dirigenten Heinz Holliger über Schumanns Vierte und über dieses spezielle Problem unterhalten.
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Das starke Stück
Schumann – Symphonie Nr. 4
Die Tradition derer, die meinten und meinen, Schumann verbessern zu müssen, ist lang. Schumann, so ein gängiges Urteil von Johannes Brahms bis Gustav Mahler, habe nicht vernünftig für Orchester instrumentieren können. Deshalb haben andere im Nachhinein Hand angelegt. Auch an Schumanns Vierter Symphonie.
"Man wird reich beschenkt, wenn man Schumann ernst nimmt." Heinz Holliger
Die Erstfassung – der Komponist höchst selbst hat seine Symphonie später noch mal überarbeitet – stammt aus dem Jahr 1841. Für den Dirigenten Heinz Holliger ist der Erstling eine zwingende Vorlage: "Viele Musiker haben Schumann verbessert, sogar Mahler. Ich habe keine Note geändert, versuche aber, durch Balance zwischen Tongebung und Balance den faszinierenden Klangsinn herauszuarbeiten. Das ist zwar zeitaufwendig, aber man wird reich beschenkt, wenn man Schumann ernst nimmt."
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Heinz Holliger | Bildquelle: © Priska Ketterer Die wesentlichen Veränderungen der 4. Symphonie von Robert Schumann, zehn Jahre, nachdem seinen Vierte in Leipzig nicht sehr erfolgreich uraufgeführt wurde, liegen in der Veränderung des Tempos. Für den Dirigenten erklärt sich das durch Schumanns Krankheit, die den Komponisten später langsam gemacht habe. "Die erste Fassung war noch sehr luftig und durchlässig, es gab weniger Verdopplungen in den Bläsern und Liegestimmen. Der Charakter war viel mehr der einer symphonischen Fantasie. Später kam dann im Kopfsatz eine Wiederholung, so dass ein Sonatensatz daraus wurde.
"Brahms hat Schumanns Frühfassung immer verteidigt: Er sagte sinngemäß, Schumann habe der Vierten Symphonie später ein schweres Kleid umgehängt, und darin konnte er nicht mehr tanzen. Aber Schumann war in seinen späten Jahren eben krank und langsam. Von den Fähigkeiten des Düsseldorfer Orchesters hatte er keine gute Meinung, deshalb verdoppelte er viel in der Instrumentation, hat Tremoli geschrieben, die in schnellem Tempo nicht zu realisieren sind."
Robert Schumann:
Symphonie Nr. 4 d-Moll op. 120
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Heinz Holliger
BR-Eigenproduktion
Sendung: "Das starke Stück" am 21. Juni 2022, 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK