Lausanne, 28. September 1918: Die Musik setzt ein. Eigentlich müsste sich jetzt der Vorhang heben und die Bühne freigeben. Aber es gibt keinen Vorhang, es gibt auch keine Bühne. Auf einem Podest sitzen sieben Musiker mit ihren Instrumenten: eine Violine, ein Kontrabass, Klarinette und Fagott, Trompete, Cornet à pistons und ein Schlagzeug. Dieses reduzierte Orchester beginnt eine Geschichte zu erzählen – die Geschichte vom Soldaten.
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Als Igor Strawinsky 1917 die "Geschichte vom Soldaten" – eine erzählte Moritat mit Schauspielern und Orchester – konzipiert, lebt er im Exil am Genfer See. Die Auswirkungen des Krieges sind auch in der Schweiz zu spüren, die Theater bleiben geschlossen. Aus der Not heraus legt Strawinsky sein musikalisches Märchen so schlicht und kleinbesetzt wie möglich an – ein Gebot der angespannten finanziellen Situation, aber auch der neuen "Ästhetik der Einfachheit".
Gemeinsam mit dem Waadtländer Dichter Charles-Ferdinand Ramuz entwirft Strawinsky die Struktur: Ein Erzähler skizziert die Handlung in der Manier eines Moritatenvortrags mit Musik, ganz im Stil der alten russischen Jahrmarkterzählungen und Gauklerbühnen. Alle übrigen Rollen werden von Schauspielern pantomimisch dargestellt. Der Stoff für Strawinskys musikalische "Bühnenerzählung" entstammt der russischen Volksdichtung.
Figurine zu Strawinksys "Geschichte vom Soldaten", 1964 von Marina A. Sokolowa | Bildquelle: picture-alliance / akg Ein Soldat trifft auf dem Weg in die Heimat den Teufel. Im Tausch gegen seine Geige erhält der Soldat von ihm ein Zauberbuch, mit dessen Hilfe er unermesslich reich wird. Als ihm das Geld kein Glück bringt und ihm künftig die Liebe versagt bleibt, verlässt der Soldat seine Heimat und gelangt in ein Königreich, dessen schöne Prinzessin krank ist. Demjenigen, der sie heilen kann, verspricht der König ihre Hand. Um seine Geige wiederzuerlangen, mit deren Klang er die Prinzessin heilen kann, überlistet der Soldat den Teufel und heiratet die Königstochter.
Strawinskys Musik spielt mit den Klangeffekten einer Jahrmarktszenerie: eine knallbunte Mischung aus Tango, Pastorale, Marsch, Walzer, Ragtime und Choral, aber alles etwas schief. Der Marsch fällt aus dem Schritt und im Königsmarsch quietschen kunstvoll Misstöne, und das zu höchst komplexen Rhythmen. Pulsierende Farben, Lebensfreude und am Schluss holt den Soldaten dann der Teufel.
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