BR-KLASSIK

Paris, 6. Mai 1992. Die Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich stirbt. Sie zählte zu den ganz wenigen deutschen Superstars. In ihrem Heimatland bekannt wurde sie durch den Film "Der blaue Engel", doch ihr eigentliches Vermächtnis war sie selbst. Die Dietrich war ein Gesamtkunstwerk.

Schon im Film "Der blaue Engel" war Marlene Dietrich als Sängerin zu erleben. Doch erst nachdem sie sich von ihrer Schauspielkarriere so gut wie verabschiedet hatte, nahm man sie als Sängerin wahr. Der Chef des exklusiven Sahara-Hotels in Las Vegas hatte sie gebucht – für ein paar kurze Bühnendarbietungen zur Unterhaltung der Spielcasino-Gäste. Ihr erster Auftritt am 15. Dezember 1953, ein paar Tage vor ihrem 52. Geburtstag, dauerte keine halbe Stunde. Doch er wurde zu einer musikalischen Offenbarung. Vier Wochen lang sang die Dietrich (auf englisch, französisch und deutsch) Songs, Chansons und Lieder vor ausverkauftem Haus – frenetisch bejubelt von Presse und Publikum. Nach diesen vier Wochen war sie um 120.000 Dollar reicher.

Mitreißender Sprechgesang

Allein die Vorführung des Kleides, so schrieb ein Kritiker, wäre das Eintrittsgeld wert gewesen. Aber es kam noch so viel mehr dazu: ihre dramaturgisch meisterhaft aufgebauten Programme; ihre Authentizität, mit der sie diesen Stilmix zu einem Ganzen fügte; und vor allem ihr hochmusikalischer, mitreißend theatralischer Sprechgesang, der die Menschen so unmittelbar ansprach – und in so faszinierendem Gegensatz stand zu ihrer distanzierten, hoheitsvollen Erscheinung.

Triumphe in der ganzen Welt

Die Dietrich hatte nach dem Abitur an der Musikhochschule in Weimar Klavier und Violine studiert. Und war in Berlin Privatschülerin des legendären Geigenpädagogen Carl Flesch. Doch eine Sehnenscheidenentzündung in der linken Hand setzte ihrer Geigenkarriere ein vorzeitiges Ende. Als Sängerin feierte Marlene Dietrich nach ihrem Las-Vegas-Debüt 22 Jahre lang Triumphe in der ganzen Welt – und stellte mit diesen Auftritten ihre Schauspielkarriere noch in den Schatten.

Ein letzter Filmauftritt

1975 zog sie sich zurück – nach einem Bühnenunfall in Sidney, bei dem sie sich den Oberschenkelhals gebrochen hatte. Vier Jahre später ließ sich die 77-Jährige zu einem letzten Filmauftritt überreden: im Streifen "Schöner Gigolo, armer Gigolo". Und so endete die Karriere der großen Marlene Dietrich, wie sie begonnen hatte: mit einem Chanson.