Bad Ischl, 7. Juli 1896. Johannes Brahms und Richard Heuberger machen einen Nachmittags-Spaziergang. Seit ein paar Wochen schon ist Brahms wieder in seinem alljährlichen Sommerquartier. Doch es geht ihm nicht gut. Heuberger merkt es sofort, empfiehlt, den renommierten Direktor der Kaltwasserheilanstalt aufzusuchen. Aber Brahms mauert: "Ich mag mit den Ärzten nichts zu tun haben – die paar Jahre, die man noch zu leben hat …"
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Schließlich macht Brahms sich doch auf und lässt sich fürs erste eine Trinkkur verordnen. Das reicht. Immerhin ist er in Ischl. Wo könnte man sich besser erholen als im gewohnten Salzkammergut-Klima? Über 15 Jahre ist es jetzt her, dass er zum ersten Mal in das Modebad gereist ist: Sommerresidenz des Kaisers und Lieblingsort von Kollegen wie Anton Bruckner und Johann Strauß. Sicher, allein war man nie zwischen der ganzen Künstler-Prominenz, und dann dieser Schnürlregen! Aber trotzdem: Ischl hat Vorzüge. Und: "Dass halb Wien hierher kommt, verdirbt mir's nicht", stellt Brahms fest.
Auch im zehnten Sommer nicht. Allein schon das Essen im Hotel Elisabeth … Und Freunde in der näheren Umgebung gibt es genug. Kreativ ist er hier gewesen. Was hat er nicht alles in den Sommern komponiert: Ouvertüren, Lieder, sein Zweites Streichquintett, Fantasien, Intermezzi. Sicher, Pörtschach, Wiesbaden, Steiermark, Thuner See: Auch das war schön. Schöner vielleicht sogar, "und einen annähernd lieben Ausflug wie nach Bern gibt es nicht", erinnert sich Brahms. "Aber ich werde den ganzen Sommer keine Engländer sehen, und die wenigen Norddeutschen hier geben sich unwillkürlich Mühe, ein anderes Gesicht zu machen. Wie man von klein und groß, jung und alt willkommen geheißen wird ist gar lieb und schön."
Nur: In diesem Jahr scheint keine ungetrübte Idylle möglich. Eigentlich war Brahms ja schon im Mai nach Ischl gereist. Aber da hatte ihn die Nachricht vom Tod seiner engen Freundin Clara Schumann erreicht. Unendliche Strapazen bei der Rückfahrt nach Frankfurt und Bonn und eine belastende Beerdigung waren die Folge gewesen – und dann die ganze Reise wieder zurück! Kein Wunder, dass er schwächelt. Doch Brahms spielt die Sache runter. Sein letzter Ischl-Aufenthalt wird der Anfang vom Ende werden. Schon bald muss er das Kurbad erneut verlassen, diesmal für immer. Es werden ihm nur noch wenige Monate bleiben.
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