Nordatlantik, irgendwo südöstlich von Neufundland, 15. April 1912: die Bordmusiker der Titanic haben ihren letzten Auftritt. Welche Ehre! Auf der ersten Fahrt dieses Wunders der Technik mitfahren zu dürfen und die Passagiere der 1. Klasse mit Walzern und Ragtimes zu erfreuen. Schon lange sind sie vom Restaurant in den großen Salon umgezogen, ausgelassen und champagnerselig ist die Stimmung.
Your browser doesn’t support HTML5 audio
Es ist Neumond, eine dunkle Nacht. Gutes Wetter, ruhige See, kein Wind – was ausgesprochenes Pech ist, denn sonst hätten die beiden Wachen im Krähennest den Eisberg früher gesehen. Bei stürmischerem Wetter wäre die Gischt hoch aufgestiegen am Eisblock, der träge im Wasser liegt und nicht mit den Wellen auf und abtanzt. Um 20 Minuten vor zwölf läuten sie dreimal die Alarmglocke. Die Passagiere bekommen erst einmal nicht mit, wie das Eis die Bordwand aufschlitzt. Die Musiker spielen weiter, freuen sich auf Mitternacht, wenn ihr Set vorbei ist und sie sich einen Gin Tonic gönnen werden.
Dann erste Schreie, Aufregung, die Ereignisse überstürzen sich. Auch die Musiker der Bordkapelle werden panisch, packen die Instrumente ein, versuchen sich in Sicherheit zu bringen – und erkennen, als sie längst auf Deck sind und das Schiff in immer schlimmere Schräglage kommt, dass es keine Sicherheit mehr gibt.
Die Musiker machen, so erstaunlich das ist in dieser Situation, das Beste was sie können: Musik. Eine letzte kleine Insel der Ruhe in diesem ganzen verzweifelten Chaos. Als sie sich auf den schrägen Planken nicht mehr halten können, hören sie auf. Und versinken zusammen mit 1500 Menschen in der Tiefe. Am 15. April, um 2 Uhr 20.
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.