Los Angeles, 26. August 1945: Der Schriftsteller Franz Werfel stirbt. Ebenso bekannt wie für seine Werke war er lange Zeit durch seine Ehe mit Alma, der Witwe Gustav Mahlers. Der Musik galt Werfels tiefe Neigung – nicht umsonst schrieb er einen Roman über Giuseppe Verdi.
"Bruno Walter spielte die Orgel, Lotte Lehmann sang. Ich ließ Werfel so begraben: im Smoking, mit einem neuen weißen Seidenhemd, mit der Brille in der Brusttasche, einem seidenen Ersatzhemd und mehreren Taschentüchern im Sarg." So erinnert sich Alma Mahler-Werfel in ihrer Autobiographie an die Beerdigung ihres dritten Mannes. Das Ambiente, vor allem der musikalische Rahmen, hätten Franz Werfel wohl gefallen. "Auch das gehört zu den Widersprüchen in der Persönlichkeit des Dichters", wird Marcel Reich-Ranicki Jahrzehnte später urteilen: "Seine tiefste Neigung galt nicht der Literatur, sondern der Musik."
Und: Es ist diese Neigung, der Werfel die Bekanntschaft mit seiner späteren Ehefrau verdankt. "Werfel ist eminent musikalisch. Er liebt Gustav Mahlers Musik und wollte mich deshalb kennenlernen." Das notiert Alma im Jahr 1917 in ihr Tagebuch. Ein Unbekannter ist Werfel für die Witwe Gustav Mahlers zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Sie kennt seine Gedichte. Ist begeistert und berührt von seinen Versen.
Menschen lieben uns, und unbeglückt
Stehn sie auf vom Tisch, um uns zu weinen.
Doch wir sitzen übers Tuch gebückt,
Und sind kalt und können sie verneinen.
Schreibt, denkt, fühlt hier nicht eine verwandte Seele? Noch ehe sie ihn getroffen hat, glaubt Alma in Werfel ein Alter Ego gefunden zu haben. Inspiriert von seinen Zeilen wird sie, die ewige Muse, sogar selbst schöpferisch. Vertont, was er schreibt. Als sie sich das erste Mal treffen, musizieren sie zusammen. Schön findet Alma den erst 27-jährige Werfel nicht: pummeliger Körper, fleischiges Gesicht, dazu die von Nikotin und Kaffee verfärbten Zähne... Umso mehr gefällt ihr aber seine Stimme. "[Er] sang und ich spielte – und wir wussten von keiner Welt mehr", schreibt Alma schockverliebt ihr Tagebuch. Und weiter: "Franz Werfel ist ein wunderbares Wunder!"
Diesem "wunderbaren Wunder", ihrem "süßen Mannkind", wie sie ihn auch nennt, wird sich Alma Mahler-Gropius, künftige Mahler-Werfel, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ganz verschreiben. Sagen wir zumindest: seiner Karriere. Ohne Alma wäre Werfel "einfach liegen geblieben und zu Grunde gegangen", urteilt Schriftstellerkollege Carl Zuckmeyer. Und tatsächlich verwandelt sich der semibekannte Lyriker unter ihrer Ägide in einen berühmten Romancier: einen Bestsellerautor, der auch auf diesem Terrain seiner "tiefsten Neigung" treu bleibt. Sein Verdi-Roman wird nicht nur zum Karriereboost, sondern läutet eine regelrechte Verdi-Renaissance ein. Ein Gegengewicht zum Wagnerwahn der Deutschen, dem auch die eigene Ehefrau anhängt. Nicht das einzige Thema, an dem sich die Geister der Zwei scheiden. Als Jude und überzeugter Republikaner muss Werfel vor den Nazis fliehen – Alma kommt mit, allerdings widerstrebend: "Ich werde jetzt mit einem, mir artfremden Volk bis ans Ende der Welt wandern müssen."
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