San Francisco, 27. Mai 1877. Isadora Duncan wird geboren. Angela Isadora ist 12 Jahre alt, als ihre Eltern sich trennen. Mit ihren drei Geschwistern und der Mutter schlägt sie sich durch. Geld ist keins da, Kunst umso mehr: Tagsüber schuftet die Mutter als Klavierlehrerin, abends liest sie ihrem "Clan Duncan" Weltliteratur vor. Dickens, Shakespeare, Whitman. Von der Ehe hat Isadora schon die Nase voll, bevor sie überhaupt heiratet. Von der Schule hält sie ebenso wenig. Stattdessen liest sie sich das, was sie wissen will, in der Bibliothek an.
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Am liebsten tanzt sie, aber auch da hat die Teenagerin klare Vorstellungen: mit Tütü und Spitzenschühchen kann man sie jagen. Isadora Duncan steht auf freie Bewegungen, weite Gewänder und nackte Füße, lässt sich von der griechischen Antike inspirieren. 1902 erfolgt in Budapest der Durchbruch mit der "Schönen blauen Donau". 30 Tage ist das avantgardistische Programm ausverkauft. Innerhalb weniger Jahre wird die Individualistin in Europa zur Ikone des Ausdruckstanzes: "Wenn ich Ihnen mit Worten sagen könnte, was ich meine, würde es keinen Sinn machen zu tanzen", so lautete ihr Credo.
Isadora Duncan lebt ihr Leben so modern, wie sie auf der Bühne agiert – bekommt eine Tochter von dem Bühnenbildner Edward Craig, der ihr nach einem Jahr sagt: "Es kann nicht ewig dauern." Und bekommt anschließend einen Sohn vom schwerreichen Nähmaschinen-Erben Paris Singer. Beide Kinder sterben 1913 tragisch bei einem Autounfall mitten in Paris. Die Duncan verarbeitet die Erlebnisse in ihrem Programm "Mother and March funebre".
Sie fängt an zu trinken, aus der Form zu gehen, ihren Prinzipien untreu zu werden. 1922 heiratet sie, von der russischen Oktoberrevolution und den kommunistischen Idealen entflammt, in Moskau den symbolistischen Dichter Sergej Jessenin. Er ist 16 Jahre jünger als sie. Konventionen scheren sie immer noch nicht. Doch die Rettung ist die Ehe für sie kaum: Jessenin nimmt sich drei Jahre später das Leben, und Isadora Duncan wird erneut ein Auto zum Verhängnis. Ihr roter Seidenschal verheddert sich in den Radspeichen und bricht ihr das Genick. 50 Jahre wird die Frau alt, die mit ihrem künstlerischen Eigensinn nicht nur den Tanz umgedeutet hat.
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