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14. Mai 1931 - Toscanini und die Faschistenhymne Erst Prügel, dann Solidarität

Arturo Toscanini soll vor einem Konzert in seiner italienischen Heimat die faschistische Parteihymne, die Giovinezza dirigieren. Er weigert sich - und bekommt dafür die Brutalität der Schwarzhemden zu spüren.

Bildquelle: picture alliance/Everett Collection

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Die Giovinezza als Faschistenhymne

Eigentlich war es ja bloß ein harmloses Operettenmarschliedchen, in dem Schönheit und Vergänglichkeit der Jugend besungen wurden. Aber: Mussolinis Faschisten hatten die Giovinezza mit neuem Text zur offiziellen Triumphhymne der Faschistischen Partei Italiens gemacht. Wo immer Publikum zusammenkam - in Sportarenen, im Kino, in Theatersälen - sollte die Giovinezza erklingen. Und von den Zuhörern wurde erwartet, dass sie mitsangen oder wenigstens respektvoll den Hut abnahmen.

Toscanini wird verpügelt

Ein Konzert steht an, an diesem 14. Mai 1931, in Bologna am Teatro Comunale, Arturo Toscanini soll dirigieren. Zur gleichen Zeit jedoch hält die Partei in der Stadt eine Feier ab, angemeldet hat sich die faschistische Polit-Prominenz. Der Bürgermeister weiß: Ohne die Giovinezza gibt es Ärger. Toscanini aber weigert sich. Das spricht sich herum, und so wartet am Tag des Konzerts vor dem Bühneneingang auf ihn die faschistische Jugend in ihren schwarzen Hemden. Ein Bursche fragt den Maestro, wie das denn nun heute sei mit der Giovinezza, man habe gehört, die würde nicht gespielt werden. Als Toscanini dies bestätigt, schlägt der junge Mann dem 64-Jährigen ins Gesicht. Toscaninis Frau und sein Manager ziehen den an der Lippe blutenden Dirigenten ins Auto und fahren ihn ins Hotel. Im Theater wird bekannt gegeben, das Konzert müsse verschoben werden, Toscanini sei erkrankt.

"Viva Toscanini!" in der Scala

Am Tag darauf werden Pass und Ausreisevisa des Dirigenten beschlagnahmt, er steht unter polizeilicher Aufsicht. Toscanini beschwert sich per Telegramm direkt bei Mussolini, der aber antwortet nicht. Währenddessen kommt es in anderen Städten zu Solidaritätskundgebungen. In der Mailänder Scala etwa rufen Opernbesucher zwischen den Akten "Viva Toscanini!" - und werden sofort verhaftet. Auch im Ausland setzen sich Komponisten und Dirigenten für Toscanini ein, selbst die New York Times berichtet, sodass Mussolini dem Dirigenten schließlich seinen Pass aushändigen und ihn ausreisen lässt. Kurz darauf ist Arturo Toscanini bereits in New York. In seiner Heimat Italien wird er erst 15 Jahre später wieder dirigieren, zur Wiedereröffnung der Scala nach dem Krieg.

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