BR-KLASSIK

Inhalt

Was heute geschah – 12. Juli 1907 Maria Anna Mahler stirbt

Maiernigg, 12. Juli 1907. Vor dem Ferienhaus der Familie Mahler wird ein kleiner Kindersarg abtransportiert. Gustav Mahler hat seine Frau Alma unterdessen zusammen mit ihrer Mutter zum See heruntergeschickt, wo diese schon nach wenigen Minuten einen Herzkrampf erleidet. Als er den Frauen wenig später entgegeneilt, bricht auch Alma zusammen. Dann sitzen die drei eng beisammen. Der Schmerz ist unerträglich. Zu groß ist die Angst, sich auch nur für kurze Zeit zu verlassen. Es ist immer noch unfassbar: In den frühen Morgenstunden ist ihre älteste Tochter Maria Anna mit nur vier Jahren gestorben.

Bildquelle: picture-alliance / Imagno

Bild: Alma Mahler mit ihren Töchtern Maria (links) und Anna

"Es war ganz sein Kind. Wunderschön und trotzig…Schwarze Locken, große blaue Augen." So hat Alma sie einst beschrieben, die kleine "Putzi", wie sie zärtlich genannt wurde. Hochbegabt sei sie gewesen, voller Energie und immer fröhlich. "Jeden Morgen ging sie in Mahlers Arbeitszimmer", erinnert sich Alma. "Dort sprachen sie lange miteinander. Niemand weiß, was…Aber beide kamen so verbunden und befriedigt von ihren Gesprächen an, dass ich meine heimliche Freude daran hatte."

Wunderschön und trotzig.
Alma Mahler über ihre Tochter Maria

Erst Scharlach, dann Diphterie

Jetzt ist Maria tot. Vor zehn Tagen fing es an, zuerst die Scharlach-Ansteckung von der jüngeren Schwester, dann Diphterie. 48 Stunden ist es erst her, dass man die Kleine in einer Notoperation mit einem Kehlkopfschnitt zu retten versuchte. Doch die Mühe war vergebens. Während Mahler sich die ganze Nacht in seinem Zimmer verbarrikadiert hatte, war Alma am Strand entlanggelaufen. "Laut schreiend, von niemandem gehört", berichtet sie. "Es war fünf Uhr früh - der Arzt hatte mir das Zimmer verboten -, da kam das Kindermädchen, meine Engländerin, und sagte: Es ist vorbei. Und ich sah dieses herrliche Kind mit großen Augen liegen und röcheln, und so litten wir alle noch einen Tag."

Sublimierter Schmerz

Komponist Gustav Mahler skizziert von Emil Orlik 1902 | Bildquelle: wikicommons Gustav Mahler skizziert von Emil Orlik 1902 | Bildquelle: wikicommons Innerlich gebrochen kehrt die Familie nach Wien zurück. Vieles ist in diesem Sommer auf sie eingestürmt: Mahlers Rücktritt von der Wiener Hofoper, die bei ihm selbst festgestellte Diagnose eines Herzklappenfehlers, eine zunehmende Entfremdung der Ehepartner, Putzis Tod. Mahler lässt sich den Schmerz nicht anmerken. Vor drei Jahren, als seine Kinder beide noch gesund im Garten spielten, schrieb er seine "Kindertotenlieder". Jetzt komponiert er wieder: das "Lied von der Erde", in dem es heißt: "Sonne, liebe Sonne, erbarme dich, laß meines Herzens Trauer dann endlich schmelzen."


Gustav Mahler wird sich ein neues Sommerdomizil suchen. Nach Maiernigg kehrt er nie mehr zurück.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8.30 Uhr und um 16.40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

    AV-Player