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Die CD und der Klassik-Markt Wenn der Künstler zur Sparkasse muss

Crowdfunding, Geld leihen von den Eltern, einen Kredit aufnehmen: Wer heute als Künstler eine CD auf den Markt bringen will und kein Top-Star ist, muss erstmal selbst tief in die Tasche greifen. Der Musik-Markt verändert sich radikal, die Verkaufszahlen für physische Tonträger nehmen stetig ab, und diese Entwicklung trifft auch die Klassik-Künstler. In der zweiten Folge unserer Reihe "Einblicke ins Klassik-Business" schaut Maximilian Maier hinter die Kulissen der Plattenfirmen.

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Cora Irsen ist Pianistin - und sie hat ein Ziel: Sie hat sich in die Klaviermusik von Marie Jaëll verliebt und will das Gesamtwerk der Pianistin und Komponistin unbedingt auf CD herausbringen. Jaëll ist 1925 gestorben, war Schülerin von Franz Liszt und wartet seitdem auf ihre Wiederentdeckung, die Cora Irsen mit ihrem CD-Projekt beschleunigen möchte.

"Ein halbes Jahr bittere Arbeit"

Pianistin Cora Irsen | Bildquelle: © Henning Witzel Die Pianistin Cora Irsen | Bildquelle: © Henning Witzel Irsen macht sich auf die Suche nach einem Partner und findet ihn mit dem Label "Querstand". Schnell lag die Frage der Finanzierung auf dem Tisch. Die Pianistin sollte sich selbst beteiligen - mit 16.000 Euro. Das sei auch bei den großen Plattenfirmen oft so, sagt Klaus-Jürgen Kampard, Inhaber von "Querstand", vor allem wenn die Produktion dem Label relativ, dem Künstler aber ganz besonders nutze: "Da geht es in erster Linie um Risikominimierung, um eine finanzielle Abfederung des Projektes für das Label." Die Motivation, eine CD auf den Markt zu bringen, hätte sich verändert, "vom Merkantilen hin zur Promotion", so Kampard.

Um das Geld aufzutreiben muss Cora Irsen kreativ sein. Man dürfe sich für nichts zu schade sein, sagt die Pianistin, die ihren Weg zum Ziel als "ein halbes Jahr bitterer Arbeit" beschreibt. Sie schreibt Briefe, bekommt 4.000 Euro von einer Sparkasse - gegen 400 Exemplare der fertigen CD - und beschließt, ihr Projekt zusätzlich mittels Crowdfunding zu finanzieren. Das ist ihr anfangs unangenehm, "aber in den ersten Tagen der Auseinandersetzung mit Crowdfunding, wie das funktioniert, welche Menschen da überhaupt mitmachen, war ich immer mehr fasziniert von dem System."

Wenn man für sein Produkt brennt, dann kann man wirklich sein Gegenüber überzeugen.
Cora Irsen über Crowdfunding

Künstler und Unternehmer in einem

Wenn Künstler heute eine CD auf den Markt bringen wollen, sind die Beherrschung eines Instruments und Leidenschaft für die Musik nur noch ein Teil eines umfangreichen Prozesses. Zu ihren Aufgaben gehören zusätzlich: Finanzierungskonzepte erarbeiten, sich um Sponsoren kümmern, Werbekampagnen starten und mit Journalisten kommunizieren. Da gerät das Verhältnis zwischen künstlerischer und unternehmerischer Arbeit schnell aus der Balance.

Entwicklung der Verkaufszahlen von CDs als Balkendiagramm  | Bildquelle: Grafik BR-KLASSIK Balkendiagramm über die Entwicklung der Verkaufszahlen zwischen 2014 und 2016 | Bildquelle: Grafik BR-KLASSIK Cora Irsen schätzt das Kunst-Büro-Verhältnis bei ihrem CD-Projekt auf 20 zu 80 Prozent: "Diese 80 Prozent andere Arbeit sind für mich fremd gewesen und die kostet ja auch persönliche Überwindung. Zwanzig Mal irgendwo anzurufen, bei einer Bank oder einer Versicherung, wo man vielleicht Geld bekommt. Und immer wieder Absagen bekommen, bis man sich penetrant fühlt. Aber das ist der einzige Weg", so die Pianistin.

Die Rolle der Klassik-Stars

1997 erlebte die CD ihren Höhepunkt, was Verkaufszahlen angeht. Seitdem geht es für die Silberlinge kontinuierlich bergab. Allein 2016 wurden laut dem Bundesverband Musikindustrie mit 73,8 Millionen Einheiten 11,8 Prozent weniger CDs verkauft als im Vorjahr (83,6 Millionen) - und 31,5 Prozent weniger als noch 2007 (107,7 Millionen). Im Klassik-Sektor ist der Einbruch verhältnismäßig nicht ganz so stark, aber dennoch spürbar. 4,76 Millionen Klassik-Alben wurden 2016 abgesetzt, 9,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Einen entscheidenden Anteil an den Verkaufszahlen haben Klassikstars wie Jonas Kaufmann, sagt Daniela Majer, die von 2001 bis 2013 für Sony Classical arbeitete - zuletzt als Chefproduzentin: "Das darf man nicht vergessen, wie wichtig solche Bestseller für den Handel sind." Kaufmanns Album "Du bist die Welt für mich" von 2016 wurde bislang einmal mit "Gold" ausgezeichnet, was 100.000 verkauften Einheiten entspricht. Schon mehrfach bekam Anna Netrebko "Gold", 2009 mit mehr als 200.000 Verkäufen auch "Platin" für das Album "Duets".

Notwendig: Eine künstlerische Vision

CD-Cover Lang Lang "New York Rhapsody" | Bildquelle: SONY Classical Bildquelle: SONY Classical Es ist ein harter Weg, auf den angehende Musiker an den Universitäten nur mangelhaft vorbereitet werden. Kenntnisse über Strukturen und Entwicklungen des Klassikmarktes, Wissen um findige Finanzierungskonzepte und Marketingstrategien - all das ist für viele eher nützliches Beiwerk als lebensnotwendige Zusatzqualifikation. Denn die große Mehrheit der Künstler haben kein schlagkräftiges Management hinter sich.

Cora Irsen ist für ihre CD-Einspielung aller Klavierwerke von Marie Jaëll in diesem Jahr überraschend mit einem ECHO Klassik ausgezeichnet worden. Idealismus, Begeisterung und künstlerische Visionen - das brauchen Musiker abseits der großen Labels für CD-Produktionen heute, denn reich wird mit einer CD in diesem Sektor niemand, stellt Daniela Majer, die seit 2014 selbständig als Beraterin im Klassik-Geschäft arbeitet, klar: "weder das Label, noch der Künstler. Aber eine CD wird immer eine musikalische Visitenkarte bleiben."

Einblicke ins Klassikbusiness

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