Seit Jahrzehnten zieht er Alt und Jung mit Werken wie "Norbert Nackendick" oder dem Dauerbrenner "Das Traumfresserchen" in seinen Bann und ist einer der meistgespielten deutschen Bühnenkomponisten unserer Zeit: Wilfried Hiller. BR-KLASSIK gratuliert zu seinem 80. Geburtstag.
Bildquelle: © Astrid Ackermann
Der Wahlmünchener Wilfried Hiller gehört zu den erfolgreichsten Komponisten der Gegenwart, obwohl oder gerade weil er von Beginn an seinen eigenen Weg gegangen ist. Seine unverwechselbare Tonsprache ist eingängig und wird vom Publikum spontan verstanden.
Zu Studienzeiten eckte Hiller an, als er im Alter von 21 Jahren zu den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik kam und Vertreter der seriellen Musik wie Karlheinz Stockhausen oder Pierre Boulez kennenlernte. Schnell merkte er, dass die damals weitverbreitete, vorwiegend intellektuell gesteuerte Art zu komponieren für ihn nicht in Frage kam. Für ihn klang das im Wesentlichen alles gleich, und er vermisste bei seinen avantgardistischen Kollegen allgemein die Individualität der musikalischen Aussage.
Bildquelle: Klaus Lipa Er kam sich vor wie in einem "musikalischen Ghetto", dessen Anhänger jegliche Gefühle tabuisierten. "Musik durfte nicht schön sein, durfte nicht in den Bauch gehen und musste fast abstoßend sein, um anerkannt zu werden", so Hiller, der auch zu hören bekam: "Oh, dein Stück gefällt mir, also ist es mir schon suspekt." Es handelte sich dabei um Liebeslieder, die nach Lehrmeinung nicht mehr modern waren. Sein späterer Verleger riet ihm sogar davon ab, für Kinder zu komponieren, weil er damit Gefahr laufe, als Komponist nicht ernst genommen zu werden.
Ich finde, und das lehre ich auch meine Studenten, Musik ist die sinnlichste von allen Künsten. Dazu stehe ich wirklich bis zum letzten Atemzug.
Wilfried Hiller wurde am 15. März 1941 im schwäbischen Weißenhorn geboren. Schon mit fünf Jahren führte er Märchen mit Handpuppen auf und formte sie in Gedichte um. Später kam er in die Klosterschule St. Stephan nach Augsburg. In dieser Umgebung fühlte er sich nicht wohl und zog sich bald immer mehr in die Musikzimmer zurück, wo er fleißig Geige, Bratsche und später auch Klavier und Orgel übte. Während seiner Schulzeit begann er "Die Räuber von Hiller" zu komponieren, ein Theaterstück mit Musik, zu dem er selber das Libretto schrieb. Er studierte am Augsburger Konservatorium Klavier und an der Münchner Musikhochschule neben Opernregie, Schlagzeug, Pauke und Musiktheorie auch Komposition bei Günter Bialas.
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1968: Besprechung zu "Der Mann in der Flasche" mit Herbert Seggelke u. Alastair | Bildquelle: privat
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1978: Mit Elisabet Woska, Schauspielerin und Ehefrau | Bildquelle: privat
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1978: Mit seinem Lehrer Carl Orff in Dießen am Ammersee | Bildquelle: privat
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1981: Mit Sohn Carl Amadeus | Bildquelle: privat
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1982: Im Garten ... | Bildquelle: privat
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... der Villa Massimo - hier die ganze Familie Hiller | Bildquelle: privat
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1982: "Der Lindwurm und der Schmetterling", Düsseldorfer Marionettentheater | Bildquelle: privat
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1983: Mit Michael Ende in der Villa Massimo ... | Bildquelle: privat
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Ende und Hiller verband eine enge Freundschaft. | Bildquelle: privat
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Wilfried Hiller im Studio des Bayerischen Rundfunks | Bildquelle: privat
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1996: Mit Frau Elisabet Woska | Bildquelle: privat
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1996: CD-Aufnahme "Der kleine blaue Bergsee" mit Werner Seitzer (Dirigent) und Elisabet Woska (Erzählerin) im Bayerischen Rundfunk | Bildquelle: privat
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1997: Szene aus "Der kleine blaue Bergsee" am Theater in Trier | Bildquelle: privat
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2001: Mit Schriftsteller Rudolf Herfurtner | Bildquelle: privat
Nachdem auch Bialas der Darmstädter Schule nahe stand, war Hiller dankbar, 1968 als Privatschüler an Carl Orff und damit in einen Strom entgegen dem Zeitgeist zu geraten. Orff arbeitete mit ihm zwölf Jahre intensiv zusammen und lehrte ihn, unbefangen mit allen Musikstilen umzugehen. Er öffnete seinem Schüler den Blick für Musik aus allen Richtungen – ob Miles Davis, die Comedian Harmonists, Don Ellis und dessen Bigbandmusik aber auch das japanische No-Theater, die Peking-Oper oder afrikanische Musik. Orff war der Ansicht, "dass ein Komponist wissen muss, was um ihn herum geschieht! Er muss aber auch wissen, ob das sein Weg ist oder nicht!" Wichtig für Hiller war außerdem der Kontakt zu Karl Amadeus Hartmann, den er kurz vor dessen Tode kennenlernte.
im Radio:
Der Komponist Wilfried Hiller zu Gast im Studio
"Meine Musik" – Samstag, 13. März 2021 ab 11:05 Uhr
Wilfried Hiller zum 80. Geburtstag
"Allegro" – Montag, 15. März 2021 ab 6:05 Uhr
Von Mythen, Fabelwesen und den Sternen
"Horizonte" – Dienstag, 16. März 2021 ab 22:05 Uhr
im Fernsehen:
ARD-alpha: Der Goggolori – eine Oper wird geschrieben
Sonntag, 14. März 2021 ab 22:00 Uhr
ARD-alpha: Der Goggolori – Eine baierische Mär von Michael Ende [Video ansehen]
Sonntag, 14. März 2021 ab 22:15 Uhr
BR Fernsehen: Vom Klang der Sterne – Der Komponist Wilfried Hiller
Mittwoch, 17. März 2021 ab 00:05 Uhr
Wilfried Hiller am Schreibpult | Bildquelle: imago/Stefan M. Prager In erster Linie komponiert Hiller für die Bühne. Ihn inspiriert die Fantasie und Magie, die von Stoffen ausgeht und in ihm Bilder auslöst. Für Kinder setzt er Fabeln und Märchen in Töne, für Erwachsene eher Sagen, geschichtliche sowie alttestamentarische Themen. Seine Bühnenmusik ist meist auf ganz bestimmte Personen zugeschnitten. So entstand für seine Frau, die 2013 verstorbene Schauspielerin Elisabet Woska, das Monodram "An diesem heutigen Tage" über die letzte Stunde der Maria Stuart vor der Hinrichtung. Für den Tenor Lorenz Fehenberger schrieb Hiller das Monodram "Ijob", für den Klarinettisten Giora Feidman das Bühnenwerk "Der Rattenfänger" und für den Bariton Bernd Weikl die Künstleroper "Wolkenstein".
"Ich schreibe eigentlich nur für mich. Ich schreibe das, was ich für richtig halte. Und wenn es den Leuten gefällt, dann ist es wunderbar, wenn es ihnen nicht gefällt, dann kann man eben nichts machen. Ich habe natürlich schon sehr früh versucht, mich mit Musik für Kinder auseinanderzusetzen. Denn Kinder hören einfach ganz anders zu als Erwachsene. Entweder sie sind gebannt oder sie langweilen sich." (Wilfried Hiller)
Wilfried Hillers "Momo" am Münchner Gärtnerplatztheater 2018 | Bildquelle: Christian POGO Zach Die Libretti zu seinen Werken für das Musiktheater sind besonders in den ersten Jahren durch Elisabet Woska geprägt. Mit dem Schriftsteller Michael Ende verband ihn bis zu dessen Tod 1995 eine jahrelange intensive Arbeitsgemeinschaft und Freundschaft. Mit ihm realisierte er Werke wie die bayerische Mär "Der Goggolori", "Das Traumfresserchen" oder "Der Rattenfänger". Später erarbeitete er mit Herbert Asmodi "Die Geschichte vom kleinen blauen Bergsee und dem alten Adler" und mit Rudolf Herfurther "Eduard auf dem Seil", "Die Waldkinder" und "Pinocchio". Weitere literarische Vorlagen fand er bei Theodor Storm, Christian Morgenstern oder Wilhelm Busch. Aber auch Kammermusik, Solokonzerte, Chor- und Orchesterwerke gehören zu seinem umfangreichen Schaffen. Zu Hillers neueren Werken zählt die Schauspielmusik "Das Salzburger Spiel vom verlorenen Sohn" und das im Dezember 2015 uraufgeführte Musiktheaterstück "Eine Geschichte sucht ihren Autor" nach Tankred Dorst.
Das Komponieren konnte Wilfried Hiller stets mit anderen Tätigkeiten vereinbaren: Ab 1971 war er 35 Jahre lang Musikredakteur beim Bayerischen Rundfunk und stellte in dieser Zeit rund 21.000 Sendungen zusammen. 1968 gründete er die Konzertreihe "musik unserer zeit", woraus später die von ihm betreuten legendären "Münchner Musiknächte" hervorgingen.
Verantwortungsvolle Aufgaben übernahm er auch als Kompositionslehrer am Richard-Strauss-Konservatorium in München oder als Präsident des Bayerischen Musikrats. Zu seinem Geburtstag am 15. März 2021 lädt Wilfried Hiller zu einem "virtuellen Sektempfang" per Zoom ein. Auch in Zukunft wird es Musik von ihm geben. Denn Komponieren, sagt er, ist für ihn wie der Herzschlag.