Festspielzeit 2024
Der Musiksommer mit BR-KLASSIK
Es wird laut am Vierwaldstätter See - für Mahlers "Sinfonie der Tausend" stehen 350 Musiker und Sänger auf der Bühne des Luzerner Kultur- und Kongresszentrums. Manche tragen Gehörschutz, um die akustische Belastung durchzustehen. Howard Arman hat als Künstlerischer Leiter den Chor des Bayerischen Rundfunks auf das Mammut-Werk vorbereitet, übergibt seinen Chor für das Auftakt-Konzert des Lucerne Festival aber an Riccardo Chailly. Kein Problem, sagt er - Vertrauen ist alles.
Bildquelle: Astrid Ackermann / BR
BR-KLASSIK: Herr Arman, was kommt Ihnen als erstes in den Kopf, wenn Sie an Luzern denken?
Howard Arman: Ich habe persönlich schon eine längere Verbindung zu Luzern, da ich hier fünf Jahre lang als Musikdirektor am Theater war und bereits lange Jahre zuvor dort gearbeitet habe. Zusätzlich bin ich auch mit der Hochschule in Luzern verbunden und über die Jahre natürlich auch mit dem Lucerne Festival. Während meiner Amtszeit am Theater habe ich jedes Jahr eine Oper beim Festival uraufgeführt.
BR-KLASSIK: Die Akustik des Saals im KKL wird von den Musikern sehr gerühmt. Wie würden Sie die Akustik beschreiben, gerade wenn man mit einem Chor dort arbeitet?
Der Saal in Luzern wird zurecht gepriesen.
Der Saal im Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL) | Bildquelle: Georg Anderhub / LUCERNE FESTIVAL Howard Arman: Der Saal wird zurecht gepriesen. Er ist wirklich fast ein Unikum europaweit und eignet sich für den Chor durch seine Tragfähigkeit, durch Transparenz, aber auch durch eine Wandlungsfähigkeit innerhalb des Saales, was die Balance zwischen Chor und Orchester zu einer sehr plastischen und relativ leicht zu behandelnden Angelegenheit macht. Das ist natürlich nicht immer so mit einem Chor und einem Orchester in dieser Größe.
BR-KLASSIK: Gerade die Größe ist natürlich bei der Sinfonie der Tausend, der Achten Sinfonie von Gustav Mahler, ein entscheidender Faktor. Vier Chöre arbeiten jetzt für die Eröffnung in Luzern zusammen. Wie darf ich mir da die Proben vorstellen?
Howard Arman: Die Chöre haben sich zunächst einzeln vorbereitet. Und dann muss man sich das so vorstellen: Der erste Chor besteht jeweils zur Hälfte aus zwei sehr renommierten Chören, dem Chor des Bayerischen Rundfunks und dem Lettischen Rundfunkchor. Der zweite Chor, Orféon Donostiarra aus San Sebástian in Spanien, ist doppelt so groß. Die erste Aufgabe war es, die Chöre des ersten Chores aneinander heran zu führen und daraus einen Chor entstehen zu lassen, um dann diesen mit dem zweiten großen Chor zu vereinen, damit alle die gleiche Klangvorstellung haben. Das ist sehr wichtig, bevor Riccardo Chailly die Probe übernimmt.
BR-KLASSIK: Wie sieht das praktisch aus? Sie haben ja vermutlich in München schon die Probenarbeit begonnen.
Howard Arman: Genau, ich habe den Chor des Bayerischen Rundfunks bereits in München vorbereitet. Den Lettischen Rundfunkchor haben wir in Luzern vor Ort kennengelernt und dann beide Chöre zusammengeführt. Am nächsten Tag kamen die Kollegen aus Spanien dazu, zusammen gab es noch eine gemeinsame Probe. Dann wurde die Probenarbeit von Herrn Chailly übernommen, der seine Wünsche zum Ausdruck brachte, bevor schließlich der Kinderchor - der Tölzer Knabenchor - und das Orchester dazukamen.
BR-KLASSIK: Ihre Arbeit war dann vorbei - wie geht es Ihnen eigentlich damit, wenn Sie im Saal sitzen und lauschen, wie alles zusammenkommt?
Riccardo Chailly | Bildquelle: picture-alliance/dpa Howard Arman: Ich habe eine langjährige Zusammenarbeit mit Riccardo Chailly genossen und ich glaube, es ist ihm sehr wichtig, dass ich ihm meine Höreindrücke weitergebe. Sie können sich vorstellen, dass man als Dirigent inmitten von diesem Apparat nicht unbedingt hört, wie es im Saal klingt. Und es ist unglaublich wichtig, diese Informationen zu haben. Also ist meine Arbeit noch nicht zu Ende, wenn er alles übernimmt.
BR-KLASSIK: Gibt es da auch andere Situationen? Sie haben gesagt, dass Sie beide sich schon lange kennen und Riccardo Chailly auf Sie zugeht und Ihre Einschätzung wünscht. Sitzen Sie manchmal auch da und zucken innerlich zusammen?
Howard Arman: Nein, er ist ein Kollege, der den Dialog immer pflegt. Wo ich es für nötig gehalten habe, habe ich auch - ohne mich dafür immer extra abzusprechen - natürlich auch hinter der Bühne zusätzliche Proben einberaumt. Dieses gegenseitige Vertrauen ist sehr wichtig und so entsteht etwas Unmittelbares. Die Diskussionen zwischen uns sind immer sehr gut.
Es passiert schon, dass man im Zuschauerraum zusammenzuckt!
BR-KLASSIK: Das ist jetzt im Fall von Riccardo Chailly so. Kennen Sie das auch anders?
Howard Arman: Selbstverständlich kenne ich das auch anders. Und da ich ja selbst Dirigent bin, kenne ich diese Werke von allen Seiten. Es passiert schon, dass man im Zuschauerraum zusammenzuckt, glücklicherweise mit Riccardo Chailly nicht. Ich finde seine Auffassung von diesem Stück sehr stimmig, sehr kraftvoll und sehr logisch.
Tölzer Knabenchor; Chor des Bayerischen Rundfunks; Latvian Radio Choir; Orféon Donostiarra
Lucerne Festival Orchestra
Die Solisten:
Ricarda Merbeth, Juliane Banse, Anna Lucia Richter, Sopran; Sara Mingardo, Alt; Mihoko Fujimura, Mezzosopran; Andreas Schager, Tenor; Peter Mattei, Bariton; Samuel Youn, Bass
Leitung:
Riccardo Chailly
zur Sendung
BR-KLASSIK: Sie übernehmen mit dieser Saison ja den Chor des Bayerischen Rundfunks. Wie wichtig sind für Sie Auftritte bei international renommierten Festivals wie dem Lucerne Festival? Wie wichtig ist das für den Chor?
Howard Arman: Es ist in jeder Hinsicht wichtig. Ich finde es richtig, dass der Chor des Bayerischen Rundfunks als musikalischer Botschafter bei all diesen wichtigen Festivals auftreten kann. Aber ich finde auch seinen Beitrag zu diesem Festival sehr wichtig, denn es gibt wenige Chöre, die solche Chorwerke auf diesem Niveau singen können. Für beide Seiten ist das Zustandekommen dieser Art von künstlerisch sehr potenter Zusammenarbeit wichtig.
Das Interview führte Ben Alber für BR-KLASSIK.