Die Sopranistin Anna Prohaska ist bekannt für klug gestrickte, anspruchsvolle und oft ernste Programme. In München singt sie nun erstmals die "Adele" in der Operette "Die Fledermaus", in einer Produktion der Bayerischen Staatsoper. Und gleich am nächsten Tag ein Barock-Programm mit Musikern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
BR-KLASSIK: Anna Prohaska, Sie sind bei Johann Strauß buchstäblich zu Hause, zumindest zeitweise. Wie nah sind Sie beiden sich denn eigentlich?
Anna Prohaska: Meine Familie hat ja diese Villa in Hietzing nicht direkt von der Strauß-Familie übernommen. Da gab es glaub' ich noch einen Besitzer dazwischen. Aber es gibt die Plakette draußen an der Außenmauer neben den Plaketten für meinen Ur-Ur-Großvater und Ur-Großvater, die jeweils Maler und Komponisten waren. Die stehen sich sozusagen in Stein wenigstens sehr nahe.
Ich habe noch nie vorher ein Stück von Johann Strauß gesungen, und deswegen ist es für mich eine Premiere. Komischerweise ist das manchmal so, dass Partien an einem vorbeigehen. Gar nicht absichtlich, sondern man hat vielleicht noch keine Anfrage bekommen oder es war einfach zeitlich sonst nicht möglich, und jetzt hat es endlich Mal geklappt.
Entertainment ist eine ganz schön ernste Sache
BR-KLASSIK: Bis jetzt verbindet man Anna Prohaska ja mehr mit dem seriösen Repertoire. Mit dem Opernrepertoire, mit viel Dramatik, Tod und Sterben. Und den Bruder, der ja am Münchner Gärtnerplatztheater singt, eher mit der leichten Muse. Wie ist es Ihnen jetzt mit der leichten Muse gegangen?
Anna Prohaska: Ich muss ganz ehrlich sagen, als mein Bruder am ersten Januar in der Vorstellung war, war ich ganz schön nervös. Es ist nur so, dass die Operette überhaupt nicht leicht ist, wie wir Profis alle wissen. Viele Leute sitzen draußen im Publikum und denken: "Hahaha das ist alles so einfach!“. Aber man muss extrem hoch, mittellagig und tief singen können. Alles in eine Arie verpackt. Koloraturen, lange lyrische Linien - alles abwechselnd. Man muss ziemlich gut tanzen und vor allem schauspielern können, weil es ja richtig gesprochene Dialoge gibt, die man eben nicht so Sarastro-mäßig salbadernd vor sich hinplappern darf. Das muss wirklich tikka-takka im Anschluss einfach wiedergegeben werden, um wirklich zu entertainen. Das Entertainment ist eine ganz schön ernste Sache, weil Komödie eigentlich viel perfekter ablaufen muss als Drama. Beim Drama kann man das immer noch als Schwächeanfall kaschieren, wenn man stolpert. Wie auch kleinere Malheure - dass irgendetwas umfällt - das kann man alles so in die Dramatik einbauen. Und bei der Komödie muss alles exakt getimed werden, und das ist das Schwere daran.
BR-KLASSIK: Und was hat denn nun der strenge Bruder Daniel Prohaska als Profi der Operette gesagt zu seiner Schwester?
Anna Prohaska: Ich glaube, er fand das ganz gut und hat mir dann schon noch ein paar Tipps gegeben, wie man zum Beispiel bei den Dialogen das noch besser auf Anschluss machen kann. Und dass ich mich trauen soll, selbst in dem großen Haus des Nationaltheaters, die Dialoge etwas schneller zu sprechen. Also, dass man das eben nicht so salbadern muss, sondern die Akustik ist so gut, dass man sich dann auch ein bisschen an den tollen Frosch auch ranhängen kann, den Cornelius Obonya, der das alles auch relativ flüssig spricht. Du musst es halt einfach deutlich sprechen mit sehr klaren Konsonanten. Das sind so Erfahrungen, die man macht.
BR-KLASSIK: Einmal haben Sie ja noch. Aber dann gibt es gleich den Spagat, nämlich am nächsten Tag – am Samstagabend. Da haben sie ein Kammerkonzert gemeinsam mit Solisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks und da machen Sie das volle Kontrastprogramm, nämlich barockes Repertoire, elf Komponisten. Das erinnert mich ein bisschen an Ihre Konzeptalben mit auch ganz vielen Komponisten und unterschiedlichen Stilen. Wer hat dieses Programm zusammengestellt und warum in dieser Vielfalt?
Anna Prohaska: Ich habe das gemeinsam mit den Musikern des Ensembles zusammengestellt. Die Hauptimpulse kamen von dem Fagottisten Marco Postinghel, der sich wirklich wahnsinnig gut in der Literatur des Frühbarocks und Barocks auskennt. Wir haben versucht, das möglichst von den Stimmungen her zu durchmischen, also: fröhlich, traurig, innig, auch mal komisch, Instrumentalstücke und Gesangstücke, und haben da jetzt nicht so sehr auf einen Themenfaden bestanden, weil das würde man glaub ich bei dieser Besetzung gar nicht so finden, die Vielfalt musikalisch gesehen.
Das ist großartig, dass das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auch diese Vielseitigkeit hat
BR-KLASSIK: Die Musiker des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks sind ja normalerweise auf modernen Instrumenten unterwegs. Wird das diesmal ein richtiger Ausflug mit historischem Instrumentarium?
Anna Prohaska: Ja absolut. Sie haben ja diese Gruppe „Accademia Giocosa“. Das sind alles Musiker, die auch historische Instrumente spielen, plus eins, zwei Gäste. Das ist großartig, dass das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks eben auch diese Vielseitigkeit hat und nicht nur große Symphonien fantastisch spielen kann, sondern auch diese Kleinstform der Triosonate plus Gesang und dass die auch wunderbar zuhören und mitatmen können. Für mich ist es wahnsinnig angenehm, nicht nur meine Soloprogramme zu machen, also nur die Liederabendform. Das ist ja dann doch sehr exponiert. Und deswegen ist es auch ganz schön, den Druck und den Fokus an ein paar andere Musiker in dieser Kammermusikform verteilen zu können. Man ist ja trotzdem immer noch die Trägerin des Textes, und natürlich ist es trotzdem eine Sonderrolle, aber es ist musikalisch vom Satz her so vielfältig. Gerade bei Händel, Bach oder bei einem verrückten Komponisten wie Steffani, bei dem zum Beispiel die alte Form des Frühbarocks auf die neuen Formen trifft und alles so in Verzierungen ausufert - da ist man eben nicht so ganz alleine.
BR-KLASSIK: Wo das Alte auf das Neue trifft - das war bei einem Mann wie Pierre Boulez immer wieder der Fall, der vor Kurzem gestorben ist. Sie haben mit Pierre Boulez einmal gearbeitet. Welche Erinnerungen haben Sie denn an diesen Künstler?
Anna Prohaska: Ja das ist ein Riesenprivileg gewesen, dass ich das noch geschafft habe, mit ihm zu arbeiten. 2011 war das glaub' ich, bei den Salzburger Festspielen. Er ist ein Grandseigneur der Musik. Also nicht nur der Modernen oder der Experimentellen Musik, sondern überhaupt. Alban Berg ist natürlich etwas, was er absolut verinnerlicht hat und was seine Musik ist. Und mit ihm die Lulu-Suite zu machen war ganz fantastisch, weil er doch ein zerebraler und sehr verkopfter Musiker ist. Also nicht jemand, der sich durch große überbordende Emotionalität auszeichnet. Das braucht man eben bei Berg überhaupt nicht, weil bei Bergdie Musik schon wahnsinnig emotional explosiv und expressionistisch ist. Da braucht man eher jemanden, der das koordiniert, dass alle Stimmen klar zusammengeführt werden und transparent für das Publikum klingen.
Am 8. Januar singt Anna Prohaska die "Adele" in der aktuellen "Fledermaus"-Produktion der Bayerischen Staatsoper, und am 9. Januar tritt die Sopranistin gemeinsam mit Musikern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks auf, um 20:00 Uhr im Max-Joseph-Saal der Münchner Residenz.