BR-KLASSIK

Inhalt

Der Bass Günther Groissböck Angst vor Wagner-Entzug

Der Österreicher Günther Groissböck singt am liebsten Wagner-Partien. Und leidet schnell an Entzugserscheinungen, wenn keine im Kalender steht. Umso mehr freut er sich auf die Arbeit mit Barrie Kosky in Bayreuth im Sommer 2017.

Bildquelle: © Felix Hentschel

BR-KLASSIK: Wenn man im Internet nach Ihrem Nachnamen sucht, erscheint als erster Treffer eine Konditorei in Wien, die mit ihren Krapfen-Spezialitäten wirbt. Wäre Konditor auch ein Job für Sie gewesen?

Günther Groissböck: Ich kenne diese Assoziation, speziell in Wien werde ich sehr oft darauf angesprochen. Der Bäckerberuf wäre vielleicht vom Tag-Nacht-Rhythmus eine Option gewesen, weil man als Künstler gerne die Nacht etwas länger macht, wenn man nach einer Vorstellung nicht schlafen kann. Und am Ende hat man fast den gleichen Rhythmus wie ein Bäcker. Aber das ist schon die einzige Gemeinsamkeit. Im Handwerklichen bin ich nicht so geschickt und ich glaube meine Krapfen würden geschmacklich nicht den Anforderungen entsprechen.

BR-KLASSIK: Aber ist Singen nicht auch zum großen Teil ein solides Handwerk?

Günther Groissböck: Ja schon. Wenn man so will, ist es fast ein athletisches Handwerk. Die Feinmotorik spielt natürlich auch eine Rolle, genauso wie im Kulinarischen. Da geht es wirklich um feine Abstimmungen und um Details. Und Singen ist natürlich beides, es ist einfach eine schwere Ganzkörperarbeit. Und wo die Kunst beginnt, kommt die feine Ziselierung dazu und im Idealfall die Seele. Wenn das perfekt kombiniert wird, ist es das, was wir wollen als Zuhörer und Zuschauer.

BR-KLASSIK: Das Filigrane braucht man ganz besonders auch bei Schuberts Winterreise, die Sie gerade mit der Kammeroper München in einer Bearbeitung für Kammerensemble machen. Fehlt dann nicht dieses ganz Intime zwischen Sänger und Pianist, bei dem man als Zuschauer manchmal fast meint, man könnte stören?

Günther Groissböck: Bevor wir dieses Projekt im November 2015 das erste Mal aufgeführt haben, war ich ähnlich skeptisch. Ich war dann aber positiv überrascht, welche Intimität man auch in dieser kleinen Besetzung mit zehn Leuten erzeugen kann. Die Zusammenstellung des Ensembles ist sehr interessant, es gibt nicht nur Streicher und Holzbläser, sondern auch eine Gitarre und ein Akkordeon, das zum Beispiel das Motiv des Leiermanns spielt. Das hat fast noch mehr Intimität als mit Klavier oder zumindest eine ganz spezielle neue Farbe. Überhaupt gibt es einige Nummern, die ganz neue Bilder und Perspektiven öffnen.

BR-KLASSIK: Trotzdem brauchen Sie auch immer die große Wagner-Bühne. Sie sind in die Rollen des Fasolt, des Landgrafen, des Hunding und vieler mehr geschlüpft. Geht es für Sie noch ohne Wagner?

Opernsänger Günther Groissböck | Bildquelle: © Markus Konvalin / BR Opernsänger Günther Groissböck | Bildquelle: © Markus Konvalin / BR Günther Groissböck: Für mich persönlich nur schwer. Beim Blick in den Kalender ist mir jetzt erst wieder bewusst geworden, dass es bis Sommer keinen Wagner gibt. Ich habe jetzt gerade zum ersten Mal den Gurnemanz in Amsterdam abgespielt. Da war die letzte Vorstellung am 29. Dezember. Ich mache zwar noch das eine oder andere Konzert mit Musik von Wagner, aber die Gefahr der Wagner'schen Entzugserscheinungen ist schon gegeben. Trotzdem muss ich auch sagen, dass es irgendwann einseitig wäre, in der Monokultur zu leben und nur Wagner zu singen. Ich bin dann schon sehr froh, wenn ich - wie am vergangenen Sonntag an der Bayerischen Staatsoper - im Don Carlo ein bisschen "mitfegen" kann als Inquisitor, weil das so eine starke Nummer ist. Ich freue mich auch, wenn ich im Notenbild gelegentlich etwas anderes lesen kann als dieses typische Wagner'sche Schriftbild. Man stimuliert die musikalischen Geschmacksnerven und auch das Hirn wieder mal neu.

BR-KLASSIK: Im Sommer wird Barrie Kosky Wagners "Meistersinger" in Bayreuth neu inszenieren, Sie singen die Rolle des Veit Pogner. Haben Sie schon mal mit Barrie Kosky gearbeitet?

Günther Groissböck: Nein, mit Barrie Kosky hatte ich noch nie das Vergnügen. Bisher habe ich auch nur gerüchteweise von Ideen zu dieser Produktion gehört. Aber soweit ich das erahnen kann, klingt es sehr interessant, was Barrie Kosky vorhat. Die "Meistersinger" sind unglaublich aufwendig, was das Personal angeht. Und dann steckt da thematisch einfach wahnsinnig viel drin: die Kunst an sich, demokratische Fragen und Gesellschaftsthemen, die wahnsinnig brisant und aktuell sind. Und ich hoffe, dass Barrie Kosky das auch reinbringen wird.

Das Gespräch führte Annika Täuschel für BR-KLASSIK.

Günther Groissböck singt Franz Schuberts "Winterreise"

Mittwoch, 25.01.2017, 20.00 Uhr
Prinzregententheater, München 

Donnerstag, 16.02.2017, 19.30 Uhr
Theater der Stadt Schweinfurt

Franz Schubert
DIE WINTERREISE
neu bearbeitet für Kammerensemble und Bass von Alexander Krampe. Die Abfolge der Lieder wird dabei durch gelegentliche Texteinlagen poetisch illustriert.

Günther Groissböck – Bass
Texte & Moderation: Christine Ostermayer (München), Brigitte Hobmeier (Schweinfurt)

    AV-Player