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Die Regisseurin Mariame Clément "Heimat ist da, wo ich bin"

Am 3. Juni 2018 hat Claudio Monteverdis Oper "Il ritorno d'Ulisse in patria" am Staatstheater Nürnberg Premiere. Mariame Clément, die Regisseurin der Inszenierung, spricht im Interview über Regiekonzepte, den Begriff Heimat und die Rolle der Frau in der Oper.

Bildquelle: © Elisa Haberer

Das Interview in voller Länge zum Anhören

BR-KLASSIK: Mariame Clément, Sie haben dieses Stück erst in Paris inszeniert - das war 2017 - und jetzt also am Staatstheater in Nürnberg. Wie laufen die Proben?

Mariame Clément: Es läuft sehr gut. Wir haben eine fantastische Besetzung, ein tolles Orchester und einen tollen Dirigenten. Das kommt langsam alles zusammen. (lacht)

Tragik, Komik und extreme Stimmungen

BR-KLASSIK: Funktionieren Inszenierungen eigentlich in allen Ländern? Ich denke mir, das könnte ja auch sehr verschieden aufgenommen werden, in Frankreich, in Deutschland ...

Mariame Clément: Ja, ich bin auch gespannt wie es in Deutschland ankommt. Man konzipiert eine Inszenierung nicht wirklich für ein besonderes Haus oder für einen besonderen Ort, weil man irgendwie direkt mit dem Stück umgeht und sich damit beschäftigt und auseinandersetzt. Und da denkt man nicht unbedingt an die Reaktionen des Pariser Publikum oder des Nürnberger Publikums, sondern man macht, was man im Moment für richtig und ehrlich hält. Trotzdem finde ich es dann im Nachhinein sehr interessant zu sehen, wie ein gewisses Publikum auf diese oder jene Sache reagiert - vor allem bei so einem Stück, das so vieles mischt: Tragik und Komik und extreme Stimmungen - zu sehen, was mehr 'rauskommt in dem einen oder anderen Land.

Ich bin sehr gerne bei Übernahmen dabei, weil ich das auch für mich auch sehr bereichernd finde.
Mariame Clément

BR-KLASSIK: Jedes Land, jede Kultur hat natürlich auch eigene Bilder und auch eine eigene Erinnerungs-Geschichte. Aber sie adaptieren da nichts wenn Sie sagen, in Frankreich habe ich es so gemacht, in Deutschland mache ich es anders?

Mariame Clément: Nicht so bewusst länderorientiert, sozusagen. Aber wir adaptieren natürlich schon. Ich bin sehr gerne bei Übernahmen dabei, mit Besetzungsänderungen, weil ich das auch für mich auch sehr bereichernd finde. Man versteht dadurch auch mehr die eigene Produktion, weil es die gleichen Ideen und dieselben Situationen sind, dasselbe Bühnenbild und dieselben Figuren, aber es sind andere Interpreten. Dadurch trifft man sozusagen eine tiefere Wahrheit in den Figuren, weil man sofort merkt, was die Konstante zwischen zwei Darstellern ist, und das finde ich für die Regiearbeit sehr spannend.

In dieser Oper geht es auch darum, dass ein Mann und eine Frau wieder zueinander finden.
Mariame Clément über Monteverdis 'Il Ritorno d'Ulisse'

BR-KLASSIK: Jetzt haben wir gerade ein bisschen über Länder gesprochen; da ist ja immer auch der Begriff Heimat nicht weit, und der spielt natürlich auch in "Il Ritorno d'Ulisse in Patria" eine Rolle. Odysseus verlässt seine Heimat kommt nach 20 Jahren zurück, da hat sich natürlich in ihm viel getan und auch in seiner Frau Penelope. Was ist denn aus Ihrer Sicht Heimat, und welche Rolle spielt der Begriff für ihre Inszenierung?

Claudio Monteverdis Oper "Die Rückkehr des Odysseus" am Staatstheater Nürnberg | Bildquelle: © Ludwig Olah Claudio Monteverdis Oper "Die Rückkehr des Odysseus" am Staatstheater Nürnberg | Bildquelle: © Ludwig Olah Mariame Clément: Heimat ist für mich sowieso eine interessante Frage, weil ich selbst in Frankreich geboren und aufgewachsen bin, aber eine iranische Mutter habe. Dieses Gefühl - Heimat, wo ist mein Zuhause - ist immer offen für mich. Ich weiß nicht genau was Heimat ist. Heimat ist da, wo ich bin. Und man kann das Stück auch im übertragenen Sinne verstehen. Weil als Paar muss man ja nicht 20 Jahre im Krieg gewesen sein, um auseinanderzukommen. Und in dieser Oper geht es, wie ich finde, auch darum, dass ein Mann und eine Frau wieder zueinander finden.

Penelope als Ausnahmeerscheinung

BR-KLASSIK: Warum ist eigentlich die Opernwelt, abgesehen von Sängerinnen, derart männlich dominiert? Es gibt ja kaum Operndirigentinnen, noch weniger Intendantinnen und ganz wenige Regisseurinnen, die wirklich Rang und Namen haben.

Mariame Clément: Da könnte man die Frage ergänzen: Warum ist die ganze Welt so männerdominiert? Kultur und Kunst sind ja immer schon von Männern dominiert. Ich glaube, in der Oper ist es vielleicht besonders so, weil die Frau ja auf so ein Podest gestellt wird - als Heilige oder Hure - mit wenig Wahl dazwischen. Deswegen finde ich es auch als Frau so interessant, gerade mit dem Medium Oper umzugehen, weil es da so viel zu tun und neu zu entdecken gibt. Die Figuren sind ja da. Aber ich merke immer mehr: Alle Frauenfiguren, die ich kenne und mit denen ich mich mein Leben lang identifiziert habe, sind ja von Männern geschrieben oder komponiert worden.

Gerade in "Il Ritorno d'Ulisse" ist eine Frau auch im Zentrum des Stückes: Penelope. Und das ist natürlich eine Frau, von der man alles weiß und trotzdem nichts weiß. Man kennt die Abenteuer des Odysseus, hat ausführlich darüber gelesen, aber was Penelope 20 Jahre lang gemacht hat, wissen wir weniger. Sie ist insofern eine besonders interessante Frau in der Opern- und Kunstgeschichte, weil sie genau in dem Alter ist, in dem Schauspielerinnen keine Rolle mehr bekommen. Sie ist keine Jungfrau, keine Hexe und auch keine alte Weise. Die ist ganz normal, im mittleren Alter, Mutter eines Teenager-Sohns - ein Alter, in dem Frauen normalerweise wirklich aufhören zu existieren, im Film im Schauspiel. Und gerade diese Frau hat die erste Szene in dem Stück, und das hat mich natürlich interessiert.

Der zweiköpfige Opernbetrieb

BR-KLASSIK: Hatten Sie als Regisseurin jemals Schwierigkeiten im Opernbetrieb?

Opernregisseurin Mariame Clément | Bildquelle: © Patrice Nin Mariame Clément | Bildquelle: © Patrice Nin Mariame Clément: Nein, komischerweise nicht. Ich merke es eher jetzt, dass man irgendwie irgendwann an eine gewissen Grenze kommt und vielleicht nicht ganz so ernst genommen wird wie manche männlichen Kollegen. Man fragt sich natürlich sofort, ob man paranoid ist. Das ist die Ironie daran, dass es nie ausgesprochen wird. Ein Vorteil, den ich empfunden habe, ist, dass Oper ja immer "zweiköpfig" ist: Dirigent und Regisseur. Das sind ja meistens zwei Männer, und es ist immer lustig, wenn zwei Männer die Macht teilen müssen - wie phallisch das dann wird und wie sehr es um männlichen Kampf geht. Lustigerweise bleibt einem das als Regisseurin erspart. Es gibt eine gewisse Komplementarität mit dem Dirigenten, die meistens sehr produktiv ist in meiner Erfahrung. Richtige Autoritätsprobleme hatte ich bislang Gott sei Dank nicht.

Sendung: "Leporello" am 30. Mai 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Monteverdis Odysseus-Oper in Nürnberg

"Die Rückkehr des Odysseus - Il Ritorno d'Ulisse in Patria"
Tragedia di lieto fine in einem Prolog und drei Akten von Claudio Monteverdi

Staatstheater Nürnberg
Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner
Inszenierung: Mariame Clément

Premiere: Sonntag, 03. Juni 2018, 19:00 Uhr

Informationen zu weiteren Terminen und zum Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Theaters.

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