An der Spitze eines Opernhauses steht der Intendant. Nikolaus Bachler, der diesen Posten an der Bayerischen Staatsoper ausübt, zählt psychologisches Geschick zu den wichtigsten Eigenschaften seines Berufsstands. Ein Besuch.
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"Ein Theater führen heißt, künstlerische Arbeit ermöglichen. Das sagt eigentlich schon alles." So umschreibt Nikolaus Bachler in Kürze seine Aufgabe. Bachler ist Intendant der Bayerischen Staatsoper in München. Die exakte Bezeichnung seiner Position lautet, wegen der Größe des Hauses und der Finanzierung durch den Freistaat: Staatsintendant. "Das Wichtigste für meinen Beruf sind zwei Dinge", führt Bachler weiter aus. "Das eine ist ein psychologisches Gespür, und das andere ist Großzügigkeit. Psychologisches Gespür ist deshalb so wichtig, weil es bei uns im Theater ja um die Persönlichkeit in all ihren Widersprüchen geht."
Zuständig ist Nikolaus Bachler für die Oper an der Maximilianstraße. Sein Büro im fünften Stock des modernen Nebengebäudes: schick, aber dezent, kein Schnickschnack. Über Eck verglast, mit Blick auf den Marstall und die Staatskanzlei. Bachlers Alltag ist: Planen, Verhandeln, Argumentieren, Rechnen. Zudem Sänger verpflichten, mit Regisseuren diskutieren, Verträge unterzeichnen. Menschen engagieren, Disponieren, Umdisponieren. Wie sehr gilt’s da der Kunst? "Ein Intendant, der sein Gewerbe kann und der die Kunst verteidigt, muss dafür sorgen, dass der Alltag zum überwiegenden Teil auch aus Kunst besteht", erläutert Bachler. "Wenn man dafür nicht sorgt, macht man etwas falsch."
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Nikolaus Bachler im Porträt
"Ich kenne kein besseres Publikum als das in München"
Die Bayerische Staatsoper gehört zu den größten und renommiertesten Häusern weltweit. Im Vergleich dazu sind etwa das Mainfrankentheater Würzburg oder das Theater Augsburg kleine Fische. Unterscheidet sich deswegen auch die Arbeit des Intendanten? Nicht unbedingt, sagt Bachler: "Das großzügige Eröffnen von künstlerischen Möglichkeiten, das Verständnis für Prozesse, das Gespür für das Verhältnis von ökonomischen und künstlerischen Zwängen: All dies ist genau gleich." Bachler macht aber auch Unterschiede dingfest: "Die Größe, die Künstler. Damit meine ich durchaus auch die Komplikationen, die eine Zusammenarbeit mit Künstlern, die auf der ganzen Welt zu Hause sind, mit sich bringt. Was vielleicht anders ist: der Anspruch oder die Erwartungshaltung."
Nikolaus Bachler | Bildquelle: picture-alliance/dpa Despotisch könne er als Intendant gar nicht agieren, erklärt Nikolaus Bachler. Künstler wie Jonas Kaufmann oder Anja Harteros könne man nicht per Dekret zu etwas verpflichten. Man könne aber argumentieren, überzeugen, Sorgen ernst nehmen, ermutigen und auch ein bisschen verführen. Das Thema Macht spielt gleichwohl eine Rolle, sagt Bachler: "Der Intendantenberuf wird insgesamt dort problematisch, wo es um Macht geht. Das Wesentliche in jeder Führungsposition ist, dass man ein gutes, gesundes Verhältnis zur Macht besitzt. Man darf Macht nicht um ihrer selbst willen ausüben, sondern sie dort einsetzen, wo sie hilft und nötig ist."
Wer eine komplizierte persönliche Beziehung zur Macht hat, sollte kein Theater leiten.
Dennoch: Der Intendant zeichnet letztlich für die Produktionen seines Hauses verantwortlich; eine Spielwiese ohne Grenzen und Konflikte ist die Oper nicht. Diese Konflikte zu steuern und zu lösen, ohne seine Persönlichkeit aufzudrängen, gehört zu den Aufgaben eines Intendanten. "Ich glaube, dass man in den künstlerischen Prozess nicht eingreifen kann und auch nicht darf", findet Bachler. "Man kann aber Ratschläge erteilen, man kann empfehlen, diskutieren und somit Teil des Produktionsprozesses werden."
Wieviel ein Intendant künstlerisch tolerieren können muss? Nikolaus Bachlers Antwort ist kurz und bündig: "Sehr viel!" Als Voraussetzung für den Intendantenberuf empfiehlt Nikolaus Bachler eine Art buddhistisches Aushalten-Können. Warum?
"Weil die Kunst es an sich hat, dass sie gewissermaßen oft zu früh kommt. Und das darf sie auch. Das heißt, wenn man etwas gar nicht einschätzen kann, muss man es oft erst einmal aushalten und ertragen. Verstehen wird man es vielleicht erst viel später. Es wird sich einlösen, sozusagen. Diese innere Balance gehört unbedingt zu dem Beruf dazu. Denn das Schlimmste ist es, zu sagen: Es darf nur das passieren, was ich verstehe. Dann ist man fern von der Kunst."
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