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Zwischen Kirmes und Tragödie Boitos "Mefistofele" an der Bayerischen Staatsoper

Als Schriftsteller übersetzte der 1842 geborene Arrigo Boito Opernlibretti wie "Tristan und Isolde" oder "Der Freischütz" ins Italienische. Er komponierte aber auch eigene Opern. Wie etwa "Mefistofele". Roland Schwab hat das Stück zum Auftakt der Saison der Bayerischen Staatsoper inszeniert.

Arrigo Boito: "Mefistofele", Staatsoper München 2015 | Bildquelle: Charles Tandy

Bildquelle: Charles Tandy

Bis zum Anfang des zweiten Akts schien alles klar: Regisseur Roland Schwab war gewillt, den musikalisch und auch stofflich überbordenden "Mefistofele" von Arrigo Boito als Spektakel zu geben. Mefisto persönlich setzt den Abend in Gang - mit einer Schallplatte auf einem alten Grammophon. Das erste Bild beginnt laut Boito im Himmel - mit einem Lobpreis Gottes durch die himmlischen Heerscharen. Schwab überträgt Richard Wagners Überzeugung, dass das Paradies nicht zu komponieren sei (und das er im Programmheft zitiert), auf seine Inszenierung: Dieser "Mefistofele" spielt in der Hölle.

Impressionen von der Inszenierung

Wie zwei aufeinander zurollende Tsunami-Wellen türmen sich zu beiden Seiten der Bühne riesige anthrazitfarbene Metallgestelle auf. Der Boden ist mit Müll, Gerümpel und kaputten Musikinstrumenten übersät. Warum Mefisto angesichts dieser Zerstörungswut ausgerechnet ein  Grammophon aufbewahrt hat, das von Anfang bis Ende vorne mittig auf der Bühne steht, bleibt sein und des Regisseurs Geheimnis.

Joseph Callejas himmlische Stimme

Für das Himmlische an diesem Abend ist Faust zuständig - mit der Stimme von Joseph Calleja: Leichtigkeit, Eleganz und Leuchtkraft, Sicherheit und endlose Bögen - Joseph Callejas Tenor hat alles. Er liebt und leidet. Calleja spielt kaum, aber das schadet nicht an diesem vor Aktionismus überschäumenden Abend. Zu Beginn haben ihm Mefistos Knechte mit roter Farbe das Wort "REVE" auf das T-Shirt gepinselt. Träumt Faust diese Geschichte? Oder sollte es "REUE" heißen? Und warum treffen wir ihn im vierten Akt in einem Heim für Demenzkranke? Nur weil er vergessen will, was er erlebt hat …? Man sollte bei dieser Inszenierung nicht zu viele Fragen stellen …

In der Walpurgisnacht beeindruckt die gigantische Bühnenmaschinerie, mit deren Hilfe eine zur Orgie bereite, aber dann doch sehr gesittet und konventionell sich entäußernde Festgesellschaft auf drei Ebenen nach oben und nach unten gefahren wird, wirkungsvoll mit gelbem Höllenfeuer beleuchtet. Und doch bleibt das heftig bejubelte Bild samt Kettenkarussell ein in erster Linie dekorativer Massenspuk. Es spiegelt die Musik nicht hinreichend wider, es überwältigt nicht. Es unterhält.

In einer Szene jedoch verliert dieser Abend plötzlich jede Äußerlichkeit: Faust und Margherita - Kristine Kristīne, schön, elegant, in einem rosafarbenen Kleid - sitzen im Zentrum der weitgehend leergeräumten Bühne an einem kleinen Tisch. Über den beiden schwebt, wie ein schützendes Dach, ein mit rosa Blüten übersäter Baldachin aus Zweigen. Der entschwindet, als Mefisto sich nähert, in den Schnürboden - und Margherita ahnt mit Grauen, worauf sie sich da eingelassen hat.

Kristīne Opolais spielt sehr differenziert, beginnt jedoch stimmlich verhalten - und serviert ihre große, technisch tadellos bewältigte Arie im dritten Akt zu sehr als Opernnummer. Allerdings wird sie samt Vorspiel vom Publikum auch gnadenlos verhustet. René Pape gibt, im schlecht sitzenden Anzug, einen Teufel von schmieriger Halbeleganz. Weniger furchterregend als witzig. Selbstironisch auch. Mit mächtiger, wenn auch nicht allzu schwarzer Stimme. Ein Höllenfürst, der - als ihm Faust entgleitet - buchstäblich den Boden unter den Füßen verliert. Pape serviert uns da am Schluss ein schauspielerisches Kabinettstückchen.

Boitos Musik hätte anderes verdient

Am Pult hält Omer Meir Wellber die Klangmassen auf bewundernswerte Weise zusammen - und wird mit seinem grandios und farbig aufspielenden Orchester gefeiert. Dass Boito schon im Prolog  dynamisch sein Pulver verschießt, ist nicht Schuld des Dirigenten. Dass diese Produktion so unentschlossen zwischen Kirmes und Tragödie changiert, ist schade. Die Musik hätte anderes verdient.

Arrigo Boito: "Mefistofele" an der Bayerischen Staatsoper

Weitere Aufführungen:
Donnerstag, 29. Oktober, 19.00 Uhr
Sonntag, 1. November, 18.00 Uhr
Freitag, 6. November, 19.00 Uhr
Dienstag, 10. November, 19.00 Uhr
Sonntag, 15. November, 19.00 Uhr

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