Ein Leben ohne Geldsorgen, mit viel Freizeit und Luxus! Feste hier, Feste dort, fließender Champagner und ausladende Roben. Kurz gesagt: Operette. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass die Glücklichen Geld verprassen, das sie gar nicht haben. Eine Rollenanalyse zur ARD-Themenwoche "Zukunft der Arbeit".
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Adelige, Millionäre, Neureiche und auch ein paar Schlawiner beleben die Operettenbühne in den höheren Sphären. Von dort aus geht es dann runter in die Tiefen der menschlichen Abgründe, denn edle Lebensentwürfe sind hier mit Reichtum selten verbunden. Zusammen gehören in der Welt der Operette oft Geld und Macht, Geld und Dummheit, Geld und Habgier, Geld und Faulheit, Geld und Eitelkeit. Für diese "armen Reichen" bieten sich aber immer wieder Chancen, auszubrechen - aus dem Muster, dass Geld oft den Charakter verdirbt. Denn natürlich haben auch Reiche allzu menschliche Probleme, die mit Geld allein nicht zu lösen sind. So wartet die Operette mit überraschenden Läuterungsprozessen, Erkenntnissen und Schlüsselerlebnissen auf.
Ulla Willick als Groschenroman-Leserin in Lehárs "Schön ist die Welt" am Theater Ulm | Bildquelle: Ilja Mess Und wenn Dummheit und Faulheit dazu geführt haben, dass nur noch Freizeit übrig ist und der Luxus auf Pump finanziert werden muss - also Geld weg und Arbeit gibt’s auch nicht - dann lacht sich die Operette ins Fäustchen. Rien ne va plus, nichts geht mehr. Nur die Figuren, die sie mag, dürfen dann aus der Situation geläutert und als SiegerInnen hervor gehen. Sie zeigen dem Publikum, dass das Leben weder durch Arbeit noch durch Geld wirklichen Sinn bekommt. Ganz unabhängig von Zeit und Epoche.
Im Paradies leben die Figuren der Operette sicher nicht. Doch das Genre spielt alles durch beim Thema Geld und Arbeit. Es gibt deshalb auch Leute, die viel Arbeit und wenig Geld haben: Dienstpersonal, Handwerker, Bauern und Arbeiter, genauso Polizisten oder Soldaten. An Charme und Lebensfreude, Witz und Findigkeit aber fehlt es ihnen selten. Offensichtlich ist die Operette der Meinung, dass in den einfachen Kreisen das Leben lebenswerter ist - vor allem aber "wahrer" als in der Gegenwelt der Upperclass. Das einfache Volk agiert direkter, es zeigt sich schneller, um welche Wurst es geht, weil es statt Contenance, statt Betäubung und Selbstbetrug echte Taten gibt: Nur der Handlungsfähige fährt hier seine Ernte ein.
Immer sind es die menschlichen Emotionen, die auf beiden Seiten den Sinn des Lebens ausmachen. Selbstlosigkeit, Klugheit und Liebe in allen Facetten lösen die Probleme. Und manchmal gibt die menschenliebende Operette auch ein gutes Quäntchen Glück dazu. Damit das Publikum erlöst nach Hause gehen kann: Problem gelöst! - und angekommen bei sich selbst. So sollte es eben sein: jenseits von Geld, Arbeit und äußerer Bedeutung. Das ist das Ziel dieses Genres. Und damit deutet es immer aus der Gegenwart hinaus in die Zukunft. Arbeit soll sein, aber in angemessenem Maße.
Wirkliche Workaholics - also viel Arbeit und viel Geld - gibt es in der Operette nicht, denn es sind einfach zu viele andere Dinge zu tun. Aber Erfolgsmenschen und Karrieristen sind dabei: Bürgermeister, Juristen und Professoren und andere Leute mit Bildung. Auch Großbauern, Schweinefürsten oder gar Konzernmagnaten. Über Geld wird dann allerdings nicht gesprochen! Man hat es einfach. Und so viel arbeiten die Erfolgreichen auch nicht: Es bleibt genügend Zeit, kräftig in der Handlung mitzumischen und am Ende ebenso freudig in das Happy End einzustimmen, wie alle anderen. Die Operette feiert das Leben und kämpft gegen alles, was ihm abträglich ist.
Und dann gibt es noch das große Feld der Außenseiter. Wie es da mit Arbeit oder Geld aussieht, weiß niemand so ganz genau. Diese Leute scheinen mehr als alle anderen ihren Sinn im Leben gefunden zu haben und definieren mit ihrer Existenz den "inner circle", den harten Kern. Banditen sind das oder Götter. Emi- und Immigranten oder Spione. Sie tummeln sich durch die Szenen und beleben sie durch ihre exotischen Lebensentwürfe. Das, was man "echte Arbeit" nennt, gibt es nicht. Aber die Jagd nach sebstgewählten Aufgaben und Zielen, die gerne auch ohne Geld verfolgt werden. Alles wird mit Freude erledigt und scheint noch das Selbstbewusstsein zu stärken - auch etwas, das der Operette wichtig ist, denn Menschen, die sich ducken und verstecken, sind ihr ein Graus.
Plakat zu Operetten-Revue von 1937 | Bildquelle: Admiralspalast / Josef Fenneker Außerdem hat die Operette noch etwas, das in der Oper zu, Beispiel nicht in gleichem Maße vorkommt, die arbeitende Frau. Neben Kammerzofen und Dienstmädchen gibt es etwa Schneiderinnen, Probiermamsellen, Verkäuferinnen, Sekretärinnen, Marktfrauen oder Kellnerinnen. Und auch Chefinnen bringen sich ein: Meisterinnen oder Gutsverwalterinnen, Kauffrauen oder Büroleiterinnen - allesamt mit Selbstbewusstsein und Stolz. Millionen scheinen sie keine zu brauchen, manchmal noch nicht mal einen Mann. Da ist die Operette ihrer Zeit voraus.
Auch in der groß ausgebreiteten Künstlerwelt sind Frauen in der Überzahl: Die Herren meist Maler, manchmal Direktoren. Die Damen sind vor allem Sängerinnen und Tänzerinnen. Künstler sind in der Operette die, die Arbeit als Berufung definieren und manchmal sogar das Geld vergessen. Woher es kommt? Das Geld findet sich einfach, oder jemand mit Geld findet sich. Fest steht jedenfalls, dass sie das Leben mehr als alle anderen zu genießen scheinen und immer dabei sind, wenn das nächste Fest zu feiern ist und der nächste Champagner fließt.
Es ist altbekannt und ganz banal: Arbeite um zu leben aber lebe nicht, um zu arbeiten. Genieße den Tag oder besser noch den Augenblick. Und das nicht auf Kosten anderer, sondern mit ihnen auf euer gemeinsames Wohl. Prost.
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