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Kleine Geschichte der Video Game Music Von "Pong" bis "Final Symphony"

Längst sind Videospiele eine eigene Kunstform - und deren Musik auch. Und die ist allemal hörenswert auch für Menschen ohne Spielekonsole. Wir erzählen die erstaunliche Geschichte der Games-Soundtracks, die sich von ein paar Pieptönen zu großen symphonischen Suiten entwickelt haben.

Bildquelle: PR

"Video Games" - der Vorbericht zum Konzert

Der Beginn: drei kurze Töne

Wir schreiben das Jahr 1972. Atari bringt - vor allem als Produkt für Spielhallen - das Videogame "Pong" auf den Markt. Elektronisches Tischtennis auf schwarzem Bildschirmhintergrund. Links und rechts sind nach unten und oben verschiebbare weiße Balken platziert, stellvertretend für zwei Spieler, die versuchen, einen weißen Punkt, den Ball, nicht durchzulassen. Die Optik ist minimalistisch, das Sounddesign auch - und nur zu hören, wenn der Ball einen Balken-Schläger trifft oder die Bildschirmränder berührt. Und genau genommen sind die Töne, die blechern aus den Lautsprechern der großen Münzspielautomaten hallen, eine Notlösung. Eigentlich hatte sich Atari-Gründer Nolan Bushnall von seinem Ingenieur Allan Alcorn gewünscht, dass man das frenetische Jubeln oder Buhrufe eines imaginären Publikums hören würde - je nach Punktgewinn oder -verlust. Aber dazu fehlt es an nötigen Schaltkreisen. Alcorn findet eine Lösung in der Maschine selbst: Er erhöht die Frequenz eines Chip-Knackens in drei unterschiedlichen Tonhöhen.

Heute genießen die fast schon hypnotischen Pieptöne von "Pong" Kultstatus. Und sie markieren offiziell den Beginn der Geschichte der Computerspielmusik, mit deren Ästhetik und Sounds mehrere Generationen groß geworden sind. Die Zeiten, in denen Programmierer nebenbei ein paar Geräusche entwickelten, sind lange vorbei. Etliche Melodien und ganze Soundtracks haben nicht nur das kollektive Klanggedächtnis der Gamer geprägt. Die Kompositionen haben die Grenzen der virtuellen Spielewelten hinter sich gelassen: Ihren Bekanntheitsgrad nutzt die Werbung, sie beleben Fernsehserien und Kinofilme, inspirieren Künstler, verkaufen sich als CD - und werden von großen Orchestern gespielt.

Wenig Speicherplatz - Wenig Musik

Dass bereits einfache Geräusche, Klingeln, Tröten und Hupen die Lust beim Spielen verstärken, hatten im 20. Jahrhundert Flipperautomaten und andere elektromechanische Automaten in den Spielhallen vorgemacht. Der Sound steigert die Spannung, lenkt den Spielenden, signalisiert ihm nicht zuletzt Erfolg und Misserfolg. Für die Entwickler der frühen Computergames bleibt es freilich lange keine ästhetische Entscheidung, wie sie den jeweiligen Spieleverlauf akustisch unterlegen. Computerspielmusik zu komponieren erfordert zunächst ein enormes technisches Wissen. Und es ist das Resultat technischer Beschränkung. Alles dreht sich um den begrenzten Speicherplatz, den sich der Sound mit dem Bild teilen muss. Wobei das Bild Vorrang genießt.

Tetris | Bildquelle: Nintendo Das Videogame "Tetris" | Bildquelle: Nintendo Für Spieleautomaten, später auch Konsolen und Heimcomputer, gibt es ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre Soundchips, integrierte Schaltkreise zur Erzeugung von Klang und Musik. Der Soundtrack zu "Space Invaders" (1978), einem der erfolgreichsten Spiele der frühen 1980er Jahre, besteht noch aus ganzen vier Tönen, die im Verlauf des Spiels immerhin ihr Tempo ändern. Nämlich dann, wenn die Angreifer im Spiel näher kommen. Es ist der typische Sound der frühen 8-Bit-Ära, die ihren Höhepunkt mit der Einführung des Commodore 64 erreicht. Der wegen seines braunen Äußeren auch "Brotkasten" genannte Heimcomputer revolutioniert nicht nur das Leben in vielen Kinderzimmern. In ihm steckt auch der SID (Sound Interface Device), ein Soundchip, der die Klangfülle eines einfachen Synthesizers erreicht. Für das elektronische Puzzle-Spiel "Tetris" lässt sich der britische Komponist Wally Beben von russischen Volksweisen inspirieren. Mit fast 26 Minuten besitzt "Tetris" die längste SID-Komposition überhaupt.

Der Videogame-Komponist

Einen extra angestellten Komponisten leistet sich Mitte der 1980er Jahre der japanische Spielehersteller Nintendo: Koji Kondos musikalische Themen für "The Legend of Zelda" (1986) und "Super Mario Bros." (1985) sind vor allem in Asien die ersten großen Hits des Genres.

Kondos Idee, jede Ebene des Spiels, durch die sich die Pixel-Protagonisten bewegen, mit einer eigenen Backgroundmusik zu gestalten, prägt die Kompositionen bis heute. Die Idee, die Spielemusik mit dem Klangbild klassischer Musik zu bereichern, hat Kondos japanischer Kollege, der klassisch ausgebildete Komponist Koichi Sugiyama. Er schreibt den Soundtrack für "Dragon Quest" (1986), arrangiert später die erfolgreichen Melodien und nimmt sie mit einem "lebenden Klangkörper" auf: dem Tokyo Strings Ensemble. Die "Dragon Quest I Symphonic Suite" auf CD findet reißenden Absatz. Am 20. August 1987 steht das Tokyo Strings Ensemble auf der Bühne der Suntory Hall in Tokyo, und spielt das erste Computerspielkonzert in der Geschichte der Game Music.

Die Mischung machts

Die Computerspielmusik ist nun auf dem Weg, eine eigene Identität zu entwickeln. Den nächsten Schritt geht Ende der 1980er Jahre Nobuo Uematsu. Er komponiert die Klänge für das Rollenspiel "Final Fantasy", rund um die Heldin Terra Branford, die die Gabe der Magie besitzt. Die Musik von Uematsu setzt Maßstäbe und sorgt international für Begeisterung. Seine Erfolgsformel: eingängige Melodien und Harmonien mit östlicher und westlicher Instrumentalmusik zu mischen. Mit der Einführung der CD-Rom in den 1990er Jahren können sich die Komponisten schließlich weiter von der technischen Beschränkung lösen. Seit das Zeitalter von Online-Spielen begonnen hat, herrscht völlige kompositorische Freiheit. Die komplexen Soundtracks, die heute im Hintergrund der Spiele laufen, sind oft über einstündige Werke. Dass sie von großen Orchestern eingespielt werden, gehört mittlerweile zum Standard.

Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde

Screenshot '"Civilization VI" | Bildquelle: 2K Games Civilization VI | Bildquelle: 2K Games Wie Kinofilme besitzen große Computerspiele heute einen O.S.T., einen Original Soundtrack mit einem Main Theme: einer Titelmelodie. Dabei hat das Geschäft mit den Spielen für Computer und Konsolen den Erfolg von Kinofilmen längst überflügelt. Dementsprechend boomt die Popularität der Game Music, die in den höchsten Kreisen angekommen ist. 2011 gewinnt der Komponist Christopher Tin gleich zwei Grammys: zum einen für "Baba Yetu", Titelsong für das Strategiespiel "Civilization IV" - im Studio aufgenommen mit Orchester und dem Soweto Gospel Choir. Tin hat nicht nur die Titelmelodie geschrieben, sondern gleich die gesamte Musik für das Spiel arrangiert. Auch dafür erhält er einen Grammy. Konzerte mit Filmmusik sind seit Jahrzehnten in der westlichen Klassikbranche etabliert. Das erste Live-Konzert mit Computerspielmusik - außerhalb Japans - bringt 2003 das Gewandhausorchester in Leipzig zur Eröffnung der Games Convention auf die Bühne. Produzent und Organisator Thomas Böcker bekommt dafür einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde.

"Final Symphony" hat Thomas Böcker die Konzertreihe mit symphonischer Musik aus den Videospielen "Final Fantasy" VI, VII und X getauft. Für die exklusiven Arrangements hat er die Komponisten Masashi Hamauzu, Jonne Valtonen und Roger Wanamo ins Team geholt. Unter Leitung von Eckehard Stier wurde "Final Symphony" 2013 in der Historischen Stadthalle Wuppertal aufgeführt. Es folgten die britische Premiere mit dem London Symphony Orchestra und Aufführungen in Japan, Dänemark, Schweden, Finnland, den Niederlanden, den USA und Neuseeland. Mit einem Programm rund um die Musik von "Final Fantasy VI" feiert nun das Münchner Rundfunkorchester sein erstes Konzert mit Computerspielmusik - unter dem Titel "Video Game Music in Concert - Symphonic Selections".

Münchner Rundfunkorchester: "Video Game Music in Concert - Symphonic Selections"

Mittwoch, 01. Februar 2017, 19.30 Uhr
München, Prinzregententheater

Mitwirkende
Münchner Rundfunkorchester
Eckehard Stier, Leitung
Nino Kerl, Moderation

Programm
Jonne Valtonen: "Fanfare for the Common 8-Bit Hero"
Chris Huelsbeck: "Turrican II", Concerto for Laser and Enemies
Nobuo Uematsu: "Blue Dragon", Waterside
Ari Pulkkinen: "Angry Birds"
Nobou Uematsu: "Final Fantasy VI", Born With the Gift of Magic
Jonne Valtonen: "Albion Online"
Ari Pulkkinen: "Super Stardust"
Martin Schjoler: "Clash of Clans"
Chris Huelsbeck: "The Great Giana Sisters"

BR-KLASSIK überträgt das Konzert live per Video-Livestream und per Audio-Livestream unter www.br-klassik.de und im Hörfunk.

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