Als die 17-jährige Anita Lasker im Dezember 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz kam, rettete das Cello ihr Leben: Das Mädchenorchester brauchte noch eine Cellistin, und deshalb entging Anita der Todeskammer. Später wurde sie nach Bergen-Belsen gebracht, wo sie 1945 die Befreiung durch die Amerikaner erlebte. Ein Porträt der 92-Jährigen, die seit 1946 in London lebt - und am 31. Januar im Bundestag in der Holocaust-Gedenkstunde gesprochen hat.
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Der Bundestag gedachte am Mittwoch, 31. Januar 2018, in einer Sonderveranstaltung der Opfer des Nationalsozialismus. Anlass war der 73. Jahrestag der Befreiung des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch sowjetische Truppen am 27. Januar 1945. Nach einer Begrüßungsansprache von Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble hielt die Holocaust-Überlebende Dr. h. c. Anita Lasker-Wallfisch MBE (Member of the Order of the British Empire) die Gedenkrede.
Die Gedenkstunde wurde musikalisch umrahmt mit Musik von Ernest Bloch (1880-1959). Der Sohn von Anita Lasker-Wallfisch, Professor Raphael Wallfisch, am Violoncello und Professor John York am Piano spielten "Prayer" aus "From Jewish Life" (1924). Nach der Gedenkrede trugen Judith Stapf an der Violine und Kärt Ruubel am Piano "Nigun" aus "Baal Shem" vor.
Zum Ansehen gibt es die Reden von der Holocaust-Gedenkstunde in der Mediathek des Deutschen Bundestags unter bundestag.de.
Die 1925 in Breslau geborene Anita Lasker-Wallfisch ist eine deutsch-britische Cellistin und eine der letzten bekannten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz. Sie ist die jüngste von drei Töchtern des Rechtsanwalts Alfons und der Geigerin Edith Lasker. Ihre Eltern konnten 1939 die älteste Schwester Marianne mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit bringen, wurden aber selbst 1942 deportiert und ermordet. Die beiden anderen Töchter kamen in ein Waisenhaus und mussten in einer Papierfabrik arbeiten.
Anita wurde im Dezember 1943 nach Auschwitz deportiert, wo sie als Cello-Spielerin im Häftlingsorchester mitspielen durfte. Später wurde auch ihre ältere Schwester Renate nach Auschwitz deportiert. Im November 1944 wurden beide Schwestern ins Konzentrationslager Bergen-Belsen im heutigen Niedersachsen transportiert, das am 15. April 1945 von britischen Truppen befreit wurde.
1946 gelang es Anita Lasker, nach Großbritannien auszuwandern, wo sie das Londoner English Chamber Orchestra mitbegründete und erfolgreich als Cellistin spielte. Sie heiratete den Pianisten Peter Wallfisch, der ebenfalls aus Breslau stammte und als Professor am Royal College of Music in London lehrte. Er verstarb 1993.
Ein Jahr später besuchte Anita Lasker-Wallfisch erstmals seit ihrer Emigration wieder Deutschland und unternahm in den folgenden Jahren viele Vortragsreisen. In Deutschland berichtete sie vor allem an Schulen von ihrem Schicksal und dem anderer Opfer des Nationalsozialismus' und des Holocausts. Sie war eine der Überlebenden von Bergen-Belsen, die beim Staatsbesuch Königin Elizabeth II. im Juni 2015 auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers eingeladen waren.
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