Am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, wird in Regensburg "Die Banalität der Liebe" uraufgeführt. In Auftrag gegeben hat das Theater Regensburg diese Oper bei der israelischen Komponistin Ella Milch-Sheriff. In Zusammenarbeit mit der Schriftstellerin Savyon Liebrecht behandelt sie darin zentrale Fragen der jüngeren deutschen Geschichte aus dem Blickwinkel der jüdischen Philosophin Hannah Arendt.
Bildquelle: Iris Nesher
Das Interview mit Ella Milch-Sheriff zum Anhören
BR-KLASSIK: Opern haben es sehr oft mit der Liebe zu tun. Auch Sie haben eine Liebesgeschichte vertont. Eine tragische Liebesgeschichte, aber keine wie alle anderen, keine operntypische, sondern eine zwischen zwei Philosophen. Wie sind Sie auf diesen Stoff gestoßen, und wie kann man aus der Beziehung zwischen Hannah Arendt und Martin Heidegger eine Oper machen?
Ella Milch-Sheriff: Diese komplizierte Beziehung hat mich fasziniert, als ich das Theaterstück "Die Banalität der Liebe" von Savyon Liebrecht gesehen habe. Es hat gedauert, bis ich verstehen konnte, wie man damit ein Libretto schaffen kann. Ein Libretto für eine Oper ist vollkommen anders als für ein Theaterstück. Diese großen Denker des 20. Jahrhunderts sind größer als das Leben, und Oper ist auch größer als das Leben und nicht real. Und damit konnte ich etwas verarbeiten, natürlich auch von Heideggers Lebensgeschichte und von Arendts, und das mit sehr vielen Zitaten aus den Liebesbriefen zwischen den beiden zusammenbringen.
BR-KLASSIK: Nun ist ja Martin Heidegger eine sehr umstrittene Figur. Wir wissen spätestens seit 2014, als seine sogenannten "Schwarzen Hefte" veröffentlicht wurden, dass er ein richtiger Antisemit war. Ein bösartiger Antisemit, den nicht nur eine kurzzeitige Verirrung dazu gebracht hat, 1933 Hitler zu unterstützen. Hat Sie das nicht abgestoßen?
Ella Milch-Sheriff: Umgekehrt. Es gibt in dieser Oper diese Rektoratsrede aus dem Jahr 1933 in einer sehr besonderen Art, und sein Antisemitismus ist in der Oper sehr stark. Hannah Arendt wusste, dass er Antisemit war und kannte seine Vergangenheit - er hat sich auch nie dafür entschuldigt. Daher kann man nicht verstehen, wie sie bis zu ihrem Tod noch Beziehungen zu ihm gehabt hatte, durch Briefe und auch Treffen in Freiburg.
Ich zeige alle meine Fragezeichen in dieser Oper.
BR-KLASSIK: Können Sie Hannah Arendt verstehen?
Ella Milch-Sheriff: Ich zeige alle meine Fragezeichen in dieser Oper. Ob ich sie verstehen kann? Also der letzte Satz der Oper sagt, das Herz hat sein eigenes Leben. Und wenn man es damit verstehen kann, dann verstehe ich. Aber dieser Grund ist ein banaler Grund. Die Liebe ist nie banal. "Die Banalität der Liebe" hat natürlich damit zu tun, was Arendt gesagt hat: "Die Banalität des Bösen".
BR-KLASSIK: Haben Sie denn für Hannah Arendt eine andere musikalische Welt geschaffen als für Martin Heidegger? Klingen die jeweils anders?
Ella Milch-Sheriff: Ja, ich glaube schon, es ist anders. Bei Heidegger habe ich sehr viel Ironie und Humor dazu gebracht. Zum Beispiel, wenn er das erste Mal auf die Bühne kommt, um eine Vorlesung an der Universität Marburg zu geben: Er kommt mit einer Mandoline und singt seinen total schweren und unverständlichen Text wie eine Serenade, so eine Art Mischung zwischen Beckmesser und Don Giovanni.
BR-KLASSIK: Es ist auch ein bisschen eine Karikatur?
Ella Milch-Sheriff: Es ist Ironie und schwarzer Humor, das kann ich schon sagen. Und das ist nur eine Stelle. Es gibt auch andere Stellen in der Oper, bei denen ich Ironie und Humor benutzt habe. Aber bei Arendt, der älteren Arendt, gibt es keinen Humor.
BR-KLASSIK: Heidegger selbst war ja auch nicht für seinen Humor berühmt.
Ella Milch-Sheriff: Deswegen bringe ich meine Meinung zu diesem Thema ein.
BR-KLASSIK: Was glauben Sie, wie wird diese Oper in Israel aufgenommen? Denn in Israel ist ja nicht nur Martin Heidegger natürlich sehr kontrovers diskutiert, sondern auch Hannah Arendt, die sich ja sehr kritisch über den Zionismus und die Gründung des Staates Israel geäußert hat.
Ella Milch-Sheriff: Genau. Sie ist bis jetzt unakzeptiert, das kann ich schon sagen, obwohl ihre Bücher in den letzten Jahren ins Hebräische übersetzt wurden. Aber sie ist nicht beliebt, sagen wir es so. Trotzdem war das Theaterstück in Israel ein voller Erfolg. Und ich bin voller Hoffnung, dass dieser Opernstoff auch die Israelis interessieren wird.
Sendung: "Leporello" am 24. Januar 2018, 16:05 Uhr