Warum werden so viele Musiker im Laufe ihrer Karriere krank? Wieso leiden sie oft schon während ihrer Ausbildung an Überlastungssyndromen? Wie gehen sie mit Lampenfieber um? Antworten darauf gibt es jetzt in einem neuen Buch.
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Was für ein Musiker bin ich? Welche künstlerischen Visionen habe ich? Und was passiert mit diesen Visionen während des Studiums? Das wollte Magdalena Bork von Studierenden wissen, die sie für ihre Dissertation begleitete. Deren Ergebnisse sind auch in dieses Buch eingegangen. "Traumberuf Musiker“ stand über dieser Doktorarbeit - mit einem Fragezeichen versehen. Es ist nicht das einzige Fragezeichen bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesem Thema. Ein Viertel der Musikstudenten leidet schon zu Beginn des Studiums an gesundheitlichen Problemen - ein Drittel hat erhöhte Angstwerte bei Auftritten. Fast die Hälfte der Studierenden nimmt deshalb professionelle Hilfe in Anspruch.
Tatsache ist: Musiker machen Hochleistungssport. Aber im Gegensatz zu Profisportlern musizieren Musiker meist ein Leben lang - unter höchster körperlicher und emotionaler Anspannung. Dabei gesund zu bleiben, grenzt fast an ein Wunder. Die Gefahren sind vielfältig:
Die Geige ist das subtilste Folterinstrument, das sich die Menschheit je ausgedacht hat.
Bildquelle: Schott Music Überforderung, zu langes Üben ohne genügend lange Pausen, Schmerzen beim Musizieren - das ist, so zeigen Studien und Erfahrungsberichte, die Regel beim Erlernen eines Instruments. Nach dem Examen hören die Probleme nicht auf. Konkurrenzdruck belebt nicht in jedem Fall das Geschäft - manchmal macht er einfach nur Angst. "The price I have to pay for my wonderful life", so nannte Artur Rubinstein die Angst. Aber soweit muss es vielleicht nicht kommen, wie dieses Buch zeigt. "Angst im Kopf" - "Fingerlähmung" - "Kein Spielen bis zum Umfallen": Das sind spannende Kapitel einer spannenden Sammlung von wissenschaftlichen Aufsätzen. Viele Musiker und Pädagogen werden sich in den geschilderten Szenarien und Fallbeispielen wiedererkennen.
Wir fürchten nicht das Publikum, wir fürchten uns vor den Kollegen.
Auffallend ist die sprachlich behutsame Annäherung an die zweifellos komplexe Thematik. Das Interesse der Autorinnen und Autoren, nicht nur für Wissenschaftler, sondern für Betroffene und interessierte Laien zu schreiben, ist groß. Und wer immer schon mal wissen wollte, wie die Feldenkrais-Methode funktioniert und wie sie Musikern helfen kann, wird auch da fündig.
Grade sitzen! Sich nicht stützen!
Weder vor- noch rückwärts beugen, nicht nach rechts und links sich neigen!
Arm und Hand nicht unnütz rühren, Selbstbeherrschung nie verlieren!
Vor des Instrumentes Mitte sich platzieren, so ist’s Sitte.
Füße nahe am Pedal, Oberkörper vertikal,
und bei größter Kraftentfaltung ungezwungen sei die Haltung!
....müssen Sie nicht auswendig lernen - der ist überholt.
Seine Sitzposition war extrem tief: Glenn Gould am Flügel | Bildquelle: Rue des Archives/RDA/Süddeutsche Zeitung Photo Da denkt der Musikfan sofort an Glenn Gould, den Weltklassepianisten mit der schlechtesten aller Körperhaltungen. "Gesund und motiviert musizieren. Ein Leben lang“. Sie werden nach der Lektüre kenntnisreich über Pathogenese und Salutogenese plaudern können. Sie werden wahrscheinlich beim nächsten Besuch eines Symphoniekonzerts die Orchestermusiker mit anderen Augen betrachten. Und Sie werden vielleicht dem Gesangspädagogen Peter Röbke zustimmen, der grundsätzlich einer "gesunden" Ausbildung das Wort redet - mit der einen oder anderen Ausnahme:
Stellen Sie sich vor, Joe Cocker hätte Stimmbildungsunterricht erhalten. Was wäre uns entgangen?
Das Buch ist eine Zusammenstellung von Beiträgen, die im Sommer 2013 bei einem internationalen und interdisziplinären Symposium zum Thema "Musikergesundheit" an der Kunstuniversität im österreichischen Graz erörtert wurden.
Herausgegeben von Silke Kruse-Weber und Barbara Borovnjak.
Erschienen bei Schott in der Reihe "üben & musizieren. texte zur instrumentalpädagogik"
Preis: €16,95