"Die Regensburger Domspatzen im Nationalsozialismus - Singen zwischen Katholischer Kirche und NS-Staat" heißt das Buch des Historikers Roman Smolorz, das jetzt im Regensburger Pustet-Verlag erscheint. Der Regensburger Domchorverein hat die Studie in Auftrag gegeben, um das kritische Kapitel in seiner Geschichte zu klären.
Bildquelle: Verlag Friedrich Pustet
Ein bekanntes Foto zeigt die Regensburger Domspatzen 1938 auf dem Obersalzberg, zu Gast bei Adolf Hitler. Fünfmal sangen die Domspatzen insgesamt in den zwölf Jahren der braunen Herrschaft vor dem Führer. Das erste Mal im Oktober 1933, als Hitler in Regensburg zu Besuch war.
Wie es dazu kam? Der Besuch des Diktators sei nicht vorbereitet gewesen. Der damalige Oberbürgermeister Otto Schottenheim ergriff die Initiative und ließ die Regensburger Domspatzen auftreten, sagt der Historiker Roman Smolorz. Als Hitler 1937 zur Einweihung einer Bruckner-Büste in die Walhalla kam, waren die Domspatzen wieder zur Stelle. Das entsprach ihrem Selbstverständnis und auch dem des sehr ehrgeizigen Chorleiters und Priesters Theobald Schrems.
Bildquelle: picture-alliance/dpa/Armin Weigelt 1938 trat der Chor beim Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg auf. Zweimal war er zu Gast auf dem Obersalzberg, 1936 und 1938. Die Besuche auf dem Obersalzberg waren ein persönlicher Wunsch Hitlers, dem der Chor aber gerne nachkam. Für die beiden Auftritte war ein Mann verantwortlich, der bislang in der Öffentlichkeit überhaupt kein Thema war: Martin Miederer, ein überzeugter Nazi, der nach der sogenannten Gleichschaltung den Domchorverein führte.
Er und Domkapellmeister Theobald Schrems haben die Aktivitäten des Chors bestimmt, sagt Mark Spoerer. Der Professor für Wirtschafts und Sozialgeschichte an der Universität Regensburg hat die Studie betreut. Auch wenn Schrems nicht Parteimitglied war, so sei er mit verantwortlich für den Kurs, den die Domspatzen im Dritten Reich eingeschlagen hätten, so Spoerer.
Schrems hat sich zwischen Kirche und Staat durchlaviert.
Bei einem dieser Besuche auf dem Obersalzberg nutzte Chorleiter Theobald Schrems die Gunst der Stunde: Er bat Hitler um Unterstützung. Schrems konnte sein großes Ziel, den Bau eines Musikgymnasiums zwar nicht durchsetzen, aber Hitler unterstütze die Domspatzen aus seinem Privatvermögen bis 1945 mit 12.000 Reichsmark pro Jahr. Doch es blieb nicht bei den Auftritten vor Hitler. Die Domspatzen sangen 1935 bei der Beerdigung von Hans Schemm, NSDAP-Gauleiter der Bayerischen Ostmark. Bischof Michael Buchberger musste Auftritte wie diesen absegnen, so der Historiker Roman Smolorz.
Die Entscheidung trifft letztlich der Bischof.
Die Domspatzen durften während der NS-Zeit mehrere Auslandsreisen machen, fuhren nach Südamerika und traten in Sao Paulo, Buenos Aires und Montevideo auf. Sie waren in Italien, in Spanien und auf dem Balkan und sangen dort in Lazaretten und vor Wehrmachtssoldaten. Die Domspatzen seien Bestandteil der Propaganda gewesen, sagt Spoerer. Weniger um den Nationalsozialismus als solchen zu unterstützen, aber um eigene Ziele zu verfolgen.
Sie haben mitgemacht, um die eigenen Ziele zu verfolgen.
"Die Regensburger Domspatzen im Nationalsozialismus - Singen zwischen Katholischer Kirche und NS-Staat"
von Roman Smolorz
Regensburger Pustet-Verlag
216 Seiten, 30 Abbildungen
Preis: 22,00 Euro
ISBN: 9783791729305