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Album der Woche – Beatrice Rana spielt Chopin Etüden und Scherzi

Ihr Konzertdebüt gibt Beatrice Rana als Kind einer Musikerfamilie schon mit neun Jahren. Mit 17 gewinnt sie den Arturo Benedetti Michelangeli-Preis und drei Jahre später folgt der 2. Preis und der Publikumspreis beim Van Cliburn-Wettbewerb. Mittlerweile ist die junge Pianistin nicht nur in ihrem Heimatland ein Klassikstar, sondern eine weltweit gefragte und gefeierte Solistin. Ihr viertes Album beim Label Warner Classics ist soeben erschienen. Beatrice Rana hat es der Musik von Frédéric Chopin gewidmet.

Bildquelle: Warner Classics

Album der Woche

Beatrice Rana spielt Chopin

An Chopins Etüden und Scherzi kommt kein Klavierfan vorbei, keine Pianistin, kein Pianist. Selbst wenn man sich aus irgendwelchen Gründen nicht für diese Musik begeistert, gleichgültig kann sie niemanden lassen. Auch Beatrice Rana nicht. Die italienische Pianistin hat für ihr aktuelles Album die zwölf Etüden op.25 und alle vier Scherzi aufgenommen und damit eine Hommage an einen Komponisten veröffentlicht, den sie erst mit 18 Jahren für sich entdeckt und vor Publikum gespielt hat. 

Energetischer Wellenschlag

Nun sind Chopins Etüden nicht nur besonders anspruchsvolle Übungsstücke, die gespielt werden, um technische Fingerfertigkeiten zu verbessern. Obwohl es auch hier um grundlegende Herausforderungen geht wie virtuose Terzen, Arpeggien- oder Oktavläufe, sind es doch spannungsgeladene Charakterstücke, geschrieben für den Konzertsaal. Beatrice Rana sieht darin eine „implizit einheitliche Tendenz“, wie sie in persönlichen Bookletnotizen schreibt, eine „einzige Ausdruckslinie“, die die Stücke miteinander verbindet. Das macht sie auch in ihrer Interpretation deutlich. Sehr gesanglich und poetisch geht es in der ersten Etüde los. Zunehmend wird ihr Spiel dramatischer und intensiver. Zwischendurch passiert Überraschendes, etwa indem in der dritten Etüde mal eine Bassstimme dominant heraustritt oder in der siebten konsequent vom Gesanglichen ausgestaltet wird. Zuletzt siegt jedoch der Furor, ein energetischer Wellenschlag. 

Kurz und bündig

Dieses Album lohnt sich, weil ...
... man scheinbar Bekanntes wunderbar neu entdecken kann.

Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil ...
... eine Persönlichkeit mit Können und starkem Ausdrucksbedürfnis zu erleben ist.

Dieses Album führt bei Überdosis zu ...
... dem vergeblichen Versuch, dieser Klaviermusik auch nur annähernd selbstspielend beizukommen. Dann doch lieber: Immer wieder hören!

Meditatives Innehalten

Beatrice Ranas persönlicher Zugang zu Chopins Etüdenzyklus setzt sich auch in ihrer Deutung der vier Scherzi fort. Extrovertiertes Kraftgetöse ist ihr fremd. Extremes Verlangsamen gesteht sie sich momentweise ein - ein meditatives Innehalten im Mittelteil des populären b-moll-Scherzo.

Scheinbar Bekanntes neu entdeckt

Dennoch ist ihre Gesamtsicht in sich schlüssig und pianistisch fulminant. Hörerinnen und Hörer, die mit dieser Musik in berühmten Aufnahmen von Pianistenkollegen wie Martha Argerich oder Maurizio Pollini groß geworden sind, mag der eine oder andere Moment irritieren oder besser: aufhorchen lassen. Pollini spielt viele der Etüden rascher, zielgerichteter. Argerichs Spiel prägt sich bei den Scherzi durch spontanes Aufbäumen ein. Beatrice Rana setzt auf individuelle Aussagekraft und Freiheit in ihrer Interpretation. Sie ist noch nicht einmal 30 Jahre alt, hat sich intensiv mit diesen virtuosen und musikalisch komplexen Werken auseinandergesetzt und begeistert mit scheinbar mühelosem Können. Und: sie ist mutig, weil sie viele Details ganz eigenwillig spielt, ohne den Blick auf den Gesamtzusammenhang zu verlieren. Scheinbar Bekanntes lässt sich mit diesem Album so wunderbar neu entdecken.  

Sendung: "Piazza" am 2. Oktober 2021 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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