Ein Streichquartett, das auf historischen Instrumenten spielt. Das ist das Chiaroscuro Quartet. Für seine Konzerte und Aufnahmen mit Quartetten von Haydn und Mendelssohn ist es in den höchsten Tönen gelobt worden. Nun packt es Beethoven an, und zwar von Anfang an. Die erste CD mit den Streichquartetten opus 18 Nr. 1 bis 3 zeigt: Mit dem Chiaroscuro Quartet bleibt nichts beim Gewohnten.
Bildquelle: Bis
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Wehe dem, der Ludwig van Beethoven einen Auftrag gab. Man konnte sicher sein, dass nichts so angenehm weitergeht wie es beginnt. Das durfte auch der in Wien ansässige Fürst Lobkowitz erleben. Bei dem damals 30-jährigen Beethoven hatte er sechs Streichquartette bestellt, das Opus 18 des jungen Komponisten. Wie das in den Ohren von Lobkowitz und seinen Zeitgenossen geklungen haben mag, davon gibt die neue Aufnahme des Chiaroscuro Quartetts eine Vorstellung. Auf Instrumenten aus der Beethoven-Zeit: ganz schön schräg.
Dieses Album muss man haben, weil …
… es eine Vorstellung davon gibt, was Beethoven seinen Hörern alles zugemutet hat.
Dieses Album hat gefehlt, weil …
… moderne Streichquartette mit ihm mal erfahren können, was an Klängen aus ihren Instrumenten herauszuholen ist.
Dieses Album hört man am besten …
… mit der Partitur auf dem Schoß. Was da alles passiert, das sollte man auch mit-sehen.
Das Chiarosuro-Quartett – die drei Musikerinnen plus Musiker stammen aus Russland, Spanien, Schweden und Frankreich. Ihre gemeinsame ist London. In der Musikwelt haben sie sich einen Namen dafür gemacht, den Quartett-Klassikern neue Klanggewänder zu verpassen. Mit alten Instrumenten, Darmsaiten und historischen Bögen. Die Londoner Sonntagszeitung „The Observer“ schrieb, sie senden damit Schockwellen zu den Ohren der Zuhörer. Beethoven hat solche Schocks sogar ausdrücklich hineinkomponiert. Wie im Adagio des ersten Quartetts: Auf trügerische Ruhe folgt Sturm.
Das Chiaroscuro-Quartett spielt nicht einfach auf historischen Instrumenten. Es setzt die Darmsaiten unter Hochspannung, tanzt mit den Bögen darauf, wirbelt die Töne nur so umher und lässt sie im nächsten Moment fast unhörbar schnurren. Das sind nicht Effekte, das sind die Mittel der Interpretation. Wie an dieser Stelle aus dem Adagio des 2. Quartetts op. 18: Es scheint, als wolle die Musik sich zunächst im Pianissimo auflösen, um sich danach ganz schnell aus dem Staub zu machen. Die Perfektion des Chiaroscuro Quartetts liegt darin, alle Nuancen des Originalklangs zu nutzen und daraus die Interpretation zu formen. Alles wird anders: die Wahrnehmung der einzelnen Instrumente, die Farben der Klänge, Auftritt und Gewicht der Motive. Eine Überraschung jagt die andere. Denn Beethoven war genial. Und das Chiaroscuro-Quartett ist es auch.
Ludwig van Beethoven:
Streichquartette op. 18 Nr. 1 - 3
Chiaroscuro Quartet
Label: Bis
Sendung: "Piazza" am 9. Oktober 2021 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK