Beim Label Sony Classical gibt es immer wieder Neuerscheinungen, die das Genie des Opernkomponisten Giuseppe Verdi ins rechte Licht setzen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Debüt-Album des französischen Baritons Ludovic Tézier, mit einem weiteren Franzosen am Dirigentenpult: Fréderic Chaslin. Die Aufnahme entstand im Januar 2020 in Bologna, kurz vor Ausbruch der Pandemie.
Bildquelle: Sony Classical
Der CD-Tipp zum Anhören
Den Geburtsdaten nach liegt ein halbes Jahrhundert dazwischen: 1893 der Eifersuchtsanfall eines Bürgers aus Windsor, 1842 der Größenwahn eines babylonischen Königs! Nabucco und Ford, die Figur aus "Falstaff" – was verbindet zwei so unterschiedliche Charaktere? Sie teilen die gleiche künstlerische DNA, die Giuseppe Verdi in seine berühmten Baritonpartien hineinkomponiert hat! Es sind zwei von insgesamt zwölf Bühnenfiguren, denen Ludovic Tézier auf seinem Debütalbum Leben einhaucht.
So vielfältig die Aufgaben für einen Verdi-Bariton auch sind, so Chamäleon-artig die jeweiligen Affekte auch schillern: Immer hat der Interpret auch inhaltlich zu beachten, was er eigentlich singt. Legato-Phrasen müssen die Bedeutung der Verse transportieren, den Grund für die Wortwahl ausleuchten. Und in exponierter Lage, bis hinauf zum hohen G, muss ein Verdi-Bariton Hochspannung erzeugen und halten. All das hat Ludovic Tézier bereits verinnerlicht.
Dieses Album hat gefehlt, weil …
… Ludovic Tézier damit die Plattform erhält, die er sich durch hervorragende Bühnenauftritte längst verdient hat!
Dieses Album lädt dazu ein,
… zwölf prägnante Opernfiguren zu vergleichen, die das autobiografisch gefärbte Faszinosum des Verdi-Baritons umreißen!
Dieses Album lohnt sich, weil …
… es die Vorfreude auf den nächsten realen Opernbesuch anheizt, falls Publikum – wo auch immer – irgendwann wieder erlaubt sein sollte!
Tézier lässt es sich nicht nehmen, sein samtenes Timbre wenigstens ein paar Minuten lang in seiner Muttersprache Französisch einzusetzen – für die Urfassung von Verdis "Don Carlos". Auch wenn sich Rodrigue und Rodrigo auf der CD nicht unmittelbar die Klinke in die Hand geben: Man kann ihre noblen Abschiedsszenen hier miteinander vergleichen, Französisch mit Italienisch. Der Flut von Nasalen folgt die Flut von Vokalen. Tézier arbeitet jeweils den Reiz des Sprachraums heraus – und stellt klar, für welche Variante das Herz des Komponisten mächtiger schlägt. Seinem Idol Piero Cappuccilli eifert Tézier zumal in puncto Atemtechnik nach – und doch trägt seine Noblesse eine eigene Handschrift.
Verdi wird hier durch die Brille zweier Franzosen betrachtet: Tézier stammt aus Marseille, der Dirigent Fréderic Chaslin aus Paris. Und auch er macht einen guten Job. Die Musikerinnen und Musiker des Orchestra del Teatro Comunale di Bologna tragen maßgeblich dazu bei, dass die Schlaglichter auf die einzelnen Opern hier so farbig geraten. Das reicht bis hin zu jenem Jago, der als einziger echter Schurke dieses Figurenkabinetts sozusagen ein abgrundtief schwarzes Klangkostüm trägt: einer der Höhepunkte eines hochgradig gelungenen Albums.
Ludovic Tézier – "Verdi"
Arien aus Opern von Giuseppe Verdi:
"La forza del destino", "Don Carlos / Don Carlo", "Ernani", "Falstaff", "Il trovatore", "La traviata", "Macbeth", "Nabucco", "Otello", "Rigoletto" und "Un ballo in maschera"
Ludovic Tézier (Bariton)
Orchestra del Teatro Comunale di Bologna
Leitung: Frédéric Chaslin
Label: Sony Classical
Sendung: "Piazza" am 27. Februar 2021 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Montag, 01.März, 21:06 Uhr
Helga Biladt
Grad den Jago fand ich nicht so gelungen, aber ansonsten eine großartige CD mit einer edlen Stimme.