Am 19. März vor 100 Jahren kam er in Bukarest zur Welt und wurde nach seinem frühen Tod rasch zur Legende: der Pianist Dinu Lipatti. Seine Kollegin Clara Haskil nannte ihn einmal "von Gott begnadet", Herbert von Karajan beschrieb Lipattis Klavierspiel als "losgelöst von jeder Erdenschwere". Auch weniger verklärend kann man auf jeden Fall von einer außergewöhnlich früh vollendeten Musikerpersönlichkeit sprechen. Zu seinem 100. Geburtstag ist eine Box mit zwölf CDs erschienen.
Bildquelle: Profil Edition Günter Hänssler
CD-Tipp 16.03.2017
Der CD-Tipp zum Anhören
Nur selten ist eine Musik so eng mit einer Persönlichkeit verbunden wie der Bach-Choral "Jesu, bleibe meine Freude" mit Dinu Lipatti. Für den rumänischen Pianisten war dieser Choral nicht nur ein beliebtes Zugabestück, sondern wurde zum persönlichen Gebet, zum Vermächtnis. Geschwächt von seiner Krebserkrankung, gibt Lipatti im September 1950 beim Internationalen Musikfest im französischen Besancon sein letztes Konzert. Nach der Pause stehen vierzehn Walzer von Chopin auf dem Programm. Lipatti muss vor dem letzten abbrechen. Erschöpft setzt er aber noch einmal an und spielt die Klavierbearbeitung dieses Chorals aus der Bach-Kantate "Jesus bleibet meine Freude". Zwei Monate später stirbt Dinu Lipatti im Alter von nur 33 Jahren.
Anlässlich des 100. Geburtstages des genialen Pianisten am 19. März erinnert BR-KLASSSIK in zwei Sendungen an ihn:
"Klassik Stars" - 17. März, 18.05 Uhr
"Après-Midi" - 19. März, 13.05 Uhr
Auch eine Folge von Was heute geschah widmet sich dem großen Pianisten.
Der Mitschnitt des letzten Konzerts von Dinu Lipatti gehört zu einem der bewegendsten Dokumente dieser neuen CD-Edition, die Lipattis Kunst eindrucksvoll gegenwärtig macht, durchweg mit Mono-Aufnahmen natürlich. Aber Lipattis phänomenale Klanggestaltung und präzises wie virtuoses Anschlagskönnen bleiben wunderbar nachvollziehbar. Die ersten Tondokumente entstanden schon Mitte der 1930er Jahre - da war Lipatti noch Student bei Alfred Cortot in Paris. Dort absolvierte er auch eine kompositorische Ausbildung, zuerst bei Paul Dukas, dann bei Nadia Boulanger. Zu den bemerkenswerten Fundstücken dieser Kollektion zählen die vierhändigen Walzer von Johannes Brahms, die Lipatti mit seiner Kompositionslehrerin 1937 aufgenommen hat.
Die anderen frühen Aufnahmen Lipattis aus den 30er-Jahren umfassen kurze Solostücke von Bach, Brahms und Enescu, wobei aufnahmetechnisch die Bach-Partita und die Sonate von Enescu dann doch dominant historisches Rauschen vermitteln. Aber sei's drum. Die eigentliche Schallplattenkarriere von Lipatti begann erst 1946, als ihn der umtriebige Columbia/EMI-Produzent Walter Legge zu jenen Tonträgern verpflichtete, die seinen Ruhm und Nachruhm begründeten. Diese berühmten Konzert- und Solo-Aufnahmen aus den EMI-Studios finden sich alle in der CD-Box - darüber hinaus grandiose Konzertmitschnitte, etwa von den eigenen Rumänischen Tänzen 1945 mit dem Orchestre de la Suisse Romande unter der Leitung von Ernest Ansermet.
Hochinteressant auch die zu vergleichende zweite Aufnahme des Schumann-Konzerts mit demselben Orchester und Dirigenten in einem Live-Mitschnitt von 1950. Die Klavier- und Kammermusik seines Patenonkels George Enescu hat Lipatti zeitlebens begleitet und liegt in Aufnahmen mit Enescu selbst an der Geige vor. Fast zärtlich und dynamisch fein abgestuft gestaltet Lipatti Melodien bei Chopin oder Mozart, äußerst transparent sind die kontrapunktischen Linien seines Bach-Spiels und virtuos, frei von jedem romantischen Schwulst spielt er die Konzerte von Grieg, Chopin oder Schumann. So ist diese CD-Box nicht nur für Klavierfreaks ein historisches Schatzkästchen der Mono-Ära. Sie fasst Aufnahmen eines großartigen Musikers zusammen - zeitlos, spannend und sehr abwechslungsreich.
Werke von Bach, Brahms, Liszt, Grieg, Enescu, Bartók u. a.
Dinu Lipatti (Klavier)
Label: Profil Edition Günter Hänssler