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CD - Hans Rott Symphonie Nr. 1 E-Dur

Er war Bruckners Lieblingsschüler und verehrte Wagner – davon erzählt manche Passage in der Symphonie des 22-jährigen Hans Rott. Aber es gibt noch ganz andere Klänge in diesem riesenhaften, teilweise unausgegorenen, aber genialisch-visionären Frühwerk. Für Gustav Mahler machte es Hans Rott gar zum "Begründer der neuen Symphonie, wie ich sie verstehe". Warum aber brachte Mahler das Opus seines Studienkollegen dann nie zur Aufführung, obwohl er eine Abschrift besaß?

Bildquelle: Profil Edition Günter Hänssler

CD-Tipp 20.06.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Vielleicht deshalb: Die auffallenden Parallelen zum Beispiel im Scherzo reichen vom formalen Aufbau über Gestus und Instrumentierung bis zu direkten thematischen Übereinstimmungen. Sollte Mahler das gemeint haben, als er sich und Rott als "zwei Früchte von demselben Baum" bezeichnete? Tatsächlich hätte sich aber wohl die Frage gestellt, wer wen inspiriert hat, und da ist die Faktenlage eindeutig: Rott vollendete seine Sinfonie acht Jahre bevor Mahler sich überhaupt an die Gattung heranwagte!

Zur Aufführungsgeschichte von Rotts Symphonie

Gustav Mahlers bewundernde Worte über den Kollegen führten den englischen Musikwissenschaftler Paul Banks auf seine Spur: Hans Rott war Mahlers Kommilitone in Wien und dort ruhte sein Nachlass über 100 Jahre unbeachtet in der Österreichischen Nationalbibliothek. Banks beförderte eine Symphonie in E-Dur zutage und initiierte die Uraufführung im März 1989 in Cincinnati. Die Musikwelt reagierte verblüfft, als die Symphonie anschließend in Paris, London und Wien  zu hören war: "Mahlers Nullte oder Rotts Erste?" – mit dieser Frage brachte der Wiener "Standard" die erstaunlichen musikalischen Parallelen zwischen den beiden Komponisten auf den Punkt. Der Dirigent Constantin Trinks gehörte zu den ersten Bewunderern des Werks. Im November 2015 erfüllte er sich den lang gehegten Wunsch, Rotts Symphonie mit dem Mozarteumorchester Salzburg zur Aufführung zu bringen. Der Live-Mitschnitt des Konzerts liegt dieser CD zugrunde.       

Tragisches Schicksal

Dass man trotz dieser vielversprechenden Anfänge nie wieder etwas von Hans Rott hörte, lag an seinem tragischen Schicksal: Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, setzte er alles auf ein Staatsstipendium, um das er sich mit seiner Symphonie bewarb. Als er sie dem Kuratoriumsmitglied Johannes Brahms vorlegte, erteilte dieser dem Bruckner-Schüler eine harsche Abfuhr - mit verheerenden Folgen für Rotts labile Psyche: Wenig später versuchte er auf einer Bahnfahrt mit Waffengewalt einen Mitreisenden davon abzuhalten, sich eine Zigarre anzuzünden, da er überzeugt war, Brahms habe den Waggon mit Dynamit präpariert. Die Reise endete in der Niederösterreichischen Landes-Irrenanstalt, wo Hans Rott 1884, nach mehreren Selbstmordversuchen im Alter von 25 Jahren an Tuberkulose starb.

Spannungsbögen und Stimmungsgegensätze

Dass Brahms das Nebeneinander von "Schönheit" und "Trivialität" in Rotts Symphonie beanstandete, verwundert kaum. Doch genau diese gebrochene Ästhetik zwischen Schmerzensschrei, Naturidylle und feierlichem Hymnus muss es gewesen sein, die Mahler nie vergessen konnte. Spannend ist die Begegnung mit Rotts erster und einziger Symphonie allemal, besonders in einer klanglich so suggestiven, die dramatischen Spannungsbögen und Stimmungsgegensätze voll ausreizenden Interpretation wie der des Mozarteumorchester Salzburg unter Constantin Trinks. Von der Symphonie liegen freilich bereits mehrere Aufnahmen vor, während nach Auskunft der Internationalen Hans Rott Gesellschaft Wien noch 25 weitere Werke von ihm in aufführbarem Zustand überliefert sind – reichlich Gelegenheit für das Label Günter Hänsslers, weiterhin "Profil" zu zeigen…

Hans Rott: Symphonie Nr. 1 E-Dur

Mozarteumorchester Salzburg
Leitung: Constantin Trinks

Label: Profil Edition Günter Hänssler

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